Die Amtseinführung eines neuen Präsidenten gilt in den USA als ein Akt der nationalen Einheit, eine Gelegenheit, bei der politische Differenzen für einen Moment beiseitegelegt werden. Doch Michelle Obama, ehemalige First Lady der Vereinigten Staaten, hat erneut entschieden, diesem Moment fernzubleiben. Während ihr Ehemann, Ex-Präsident Barack Obama, sowie die ehemaligen Präsidenten George W. Bush und Bill Clinton samt ihrer Ehefrauen an der Zeremonie am 20. Januar teilnehmen werden, hat Michelle Obama klar gemacht: Sie wird nicht dort sein.
Ein bemerkenswerter Schritt
Die Entscheidung von Michelle Obama, Trumps Amtseinführung zu meiden, fällt auf. Nicht nur, weil alle anderen noch lebenden ehemaligen Präsidenten und ihre Ehepartner an der Zeremonie teilnehmen werden, sondern auch, weil dies das zweite hochrangige Ereignis innerhalb von zwei Wochen ist, dem sie fernbleibt. Bereits bei der Trauerfeier für den ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter in der Washington National Cathedral war Michelle Obama die einzige Ehefrau eines früheren Präsidenten, die fehlte.
Während ehemalige Präsidenten Trump, Obama, Bush und Clinton gemeinsam mit ihren Ehepartnern an Carters Gedenkfeier teilnahmen, war Michelle Obamas Abwesenheit ein deutlicher Kontrast. Die offizielle Erklärung, die von ihrem Büro herausgegeben wurde, bot keine Begründung für ihr Fernbleiben. Die fehlende Kommunikation hat jedoch Spekulationen angeheizt – und erinnert an die anhaltenden Spannungen zwischen Michelle Obama und Donald Trump.
Politische Differenzen und persönliche Überzeugungen
Dass Michelle Obama keine Freundin der Trump-Administration ist, ist kein Geheimnis. Ihre Abneigung gegenüber Donald Trump geht auf die Präsidentschaftswahl 2016 zurück, als Trump durch seine „Birther“-Kampagne die Legitimität von Barack Obamas Präsidentschaft infrage stellte, indem er behauptete, Obama sei nicht in den USA geboren. In ihrer Autobiografie Becoming beschrieb Michelle Obama ihre Erschütterung, als sie erfuhr, dass Trump das Amt übernehmen würde. Sie bezeichnete Trumps Verhalten während seines Wahlkampfs als gefährlich und schrieb, sie werde „ihm niemals vergeben“ für die Rhetorik, die ihrer Meinung nach die Sicherheit ihrer Familie gefährdet habe.
Auch in den folgenden Jahren ließ sie keine Gelegenheit aus, ihre Ablehnung deutlich zu machen. Sie unterstützte aktiv die Kampagnen von Hillary Clinton im Jahr 2016 und von Kamala Harris im Jahr 2024 und rief insbesondere Frauen dazu auf, gegen Trump zu stimmen. Bei einer Rede in Michigan im letzten Herbst warnte sie vor den Gefahren einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus und betonte die Bedeutung weiblicher Stimmen.
Dass Michelle Obama sich nun entschieden hat, Trumps Amtseinführung zu meiden, kann als logische Fortsetzung ihrer persönlichen und politischen Überzeugungen gesehen werden. Doch es wirft auch eine größere Frage auf: Wie viel Einheit ist in einer so polarisierten politischen Landschaft überhaupt noch möglich?
Barack Obama und die andere Seite
Während Michelle Obama die Veranstaltung meidet, wird Barack Obama anwesend sein – ein Signal, das auf den ersten Blick möglicherweise im Widerspruch zu ihrer Entscheidung steht. Doch Barack Obama hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er trotz persönlicher Differenzen bereit ist, an nationalen Zeremonien teilzunehmen. Bereits 2017 nahm er an Trumps erster Amtseinführung teil, ebenso wie Hillary Clinton, die gerade erst eine der bittersten Wahlniederlagen der modernen US-Geschichte gegen Trump erlebt hatte.
Interessanterweise gab es bei der Trauerfeier für Jimmy Carter letzte Woche einen kurzen, fast surrealen Moment, in dem Barack Obama und Trump – trotz ihrer tiefen politischen Unterschiede – Seite an Seite saßen, lachten und sich scheinbar gut unterhielten. Dieses Bild sorgte für Schlagzeilen und zeigte, wie zeremonielle Anlässe gelegentlich selbst die stärksten Gräben überbrücken können. Michelle Obama war jedoch nicht dabei, um Zeugin dieses Moments zu werden.
Michelle Obamas Fernbleiben: Was bedeutet es?
Obwohl keine offizielle Erklärung abgegeben wurde, könnte Michelle Obamas Entscheidung mehr als nur eine persönliche sein – sie könnte ein symbolischer Akt sein. Ihr Fernbleiben signalisiert, dass sie sich weigert, Teil der politischen Normalisierung eines Mannes zu sein, den sie für gefährlich hält. Sie bleibt ihrer Linie treu und macht damit deutlich, dass für sie Prinzipien über Protokoll stehen.
Allerdings wird ihr Schritt auch Kritik aufwerfen. Gegner könnten argumentieren, dass ihre Abwesenheit von einer Veranstaltung, die auf nationaler Ebene Einheit signalisieren soll, spaltet, anstatt Brücken zu bauen. Die Rolle ehemaliger First Ladies wird traditionell als unpolitisch wahrgenommen, und Michelle Obamas Entscheidung könnte in diesem Kontext als kontrovers gelten.
Eine geteilte Nation
Michelle Obamas Entscheidung spiegelt die tiefe Spaltung der amerikanischen Gesellschaft wider. Während ehemalige Präsidenten und ihre Ehepartner oft als Symbole nationaler Einheit angesehen werden, zeigt die Tatsache, dass selbst diese symbolischen Gesten infrage gestellt werden, wie groß die politischen und gesellschaftlichen Gräben geworden sind.
Es bleibt abzuwarten, ob dieser Moment in der Geschichte der Amtseinführungen als Ausreißer wahrgenommen wird oder als ein weiteres Zeichen dafür, dass selbst die symbolischen Gesten der Demokratie in den USA nicht mehr das sind, was sie einmal waren.
Doch eines ist klar: Michelle Obamas Entscheidung, nicht an Trumps Amtseinführung teilzunehmen, wird in den kommenden Tagen und Wochen sowohl bewundert als auch kritisiert werden. Sie bleibt ihrer Haltung treu – und setzt damit ein starkes, wenn auch polarisierendes Zeichen.
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