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In Frankreich sorgt ein winziger Blutsauger für große Aufregung – und gesundheitliche Sorgen. Der Tigermücken-Alarm ist längst nicht mehr nur ein Sommerthema. Aedes albopictus, besser bekannt als Tigermücke, breitet sich in den Städten rasant aus und ist Überträger gefährlicher Krankheiten wie Dengue, Chikungunya und Zika. Doch jetzt greift Frankreich zu einer ungewöhnlichen, aber vielversprechenden Waffe: der biologischen Sterilisation.

Hightech gegen Blutsauger

Die Methode, die hier ins Spiel kommt, nennt sich „Technik des sterilen Insekts“, kurz TIS. Die Idee klingt simpel – und fast schon filmreif: In kontrollierten Umgebungen werden männliche Tigermücken gezüchtet und durch gezielte Bestrahlung unfruchtbar gemacht. Danach werden sie massenhaft freigelassen. Und zwar nicht irgendwo, sondern genau dort, wo sich die Plagegeister besonders wohlfühlen: in Städten wie Brive-la-Gaillarde in Zentralfrankreich.

400.000 sterile Männchen pro Woche. Sechs Monate lang. Insgesamt rund 11 Millionen Insekten auf einem Gebiet von 52 Hektar – das ist das Ausmaß des aktuellen Großversuchs. Ziel: Die Fortpflanzung der wilden Tigermücken massiv zu stören, ohne Chemie, ohne Schäden an anderen Insektenarten.

Was bringt die Methode wirklich?

Klingt spektakulär, aber funktioniert das auch? Frühere Tests liefern optimistische Zahlen. Auf der Insel La Réunion etwa sank die Fruchtbarkeit der Mücken-Eier um bis zu 60 Prozent. In China registrierte man sogar 80 Prozent weniger Mückenstiche. Die sterile „Mückenbarriere“ scheint also Wirkung zu zeigen – ein biologischer Schutzwall gegen eine Invasion mit sechs Beinen.

Und das Beste: Die Umwelt bleibt außen vor. Denn im Gegensatz zu Insektiziden, die oft ganze Ökosysteme belasten, greift die TIS nur in den Lebenszyklus der Tigermücke ein. Andere Insekten, etwa Bienen oder Schmetterlinge, bleiben unbehelligt.

Von der Idee zur Mückenfabrik

Hinter dieser ausgeklügelten Methode steckt unter anderem das französische Unternehmen Terratis, das in Montpellier Europas erste Produktionsstätte für sterile Mücken betreibt. In dieser modernen „Mückenfabrik“ wachsen die Insekten unter idealen Bedingungen auf – bevor sie in die Freiheit entlassen werden. Was für manche nach einem Albtraum klingt, ist für die Forscher eine Revolution im Kampf gegen Krankheitsüberträger.

Hürden gibt es trotzdem

Natürlich ist nicht alles Gold, was summt. Die TIS ist aufwendig und teuer. Die Logistik dahinter gleicht einem militärischen Einsatz: Zucht, Sterilisation, Transport, gezielte Freisetzung – alles muss exakt aufeinander abgestimmt sein. Und dann ist da noch der menschliche Faktor: Die beste Technik hilft wenig, wenn die Bevölkerung nicht mitzieht. Larven entstehen schließlich nicht nur im Urwald, sondern oft in Blumentöpfen, Regenrinnen oder Eimern im eigenen Garten.

Deshalb setzt man in Brive-la-Gaillarde auch auf Aufklärung. Die sogenannte „Brigade du Tigre“ informiert Anwohner, inspiziert Gärten und gibt Tipps zur Beseitigung von Brutstätten. Denn die Mückenfrage wird letztlich im Alltag entschieden.

Der Weg zur Mückenfreiheit?

Ob diese Methode das große Mückenproblem langfristig lösen kann? Das hängt von vielen Faktoren ab: der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Insekten, der Akzeptanz in der Bevölkerung und natürlich vom politischen Willen, die notwendigen Mittel bereitzustellen.

Doch eines zeigt dieses Projekt ganz klar: Es gibt Alternativen zur Giftspritze. Und vielleicht – nur vielleicht – fliegt uns mit den Tigermücken ja auch ein Stück neue Hoffnung entgegen.

Von C. Hatty

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