Tag & Nacht

Der Verkehr rund um Paris ist ein Dauerthema – Staus, Umweltbelastung und überfüllte Straßen prägen das tägliche Bild. Doch nun startet eine neue Maßnahme, die für Diskussionen sorgt: Reservierte Fahrspuren für Fahrgemeinschaften auf dem Pariser Ring (Périphérique) und Teilen der Autobahnen A1 und A13. Diese Regelung, ein Erbe der bevorstehenden Olympischen Spiele, soll Autofahrten effizienter und umweltfreundlicher gestalten. Doch ist das wirklich der richtige Weg?

Ein Paradigmenwechsel in der Verkehrsplanung

Tom Dubois, Urbanist und Sprecher von Forum Vies Mobiles, spricht von einem tiefgreifenden Wandel: „Früher ging es darum, den Verkehr immer weiter zu beschleunigen und Staus zu vermeiden. Heute lautet das Ziel, die negativen Auswirkungen des Autoverkehrs zu begrenzen – also weniger Autos, geringere Geschwindigkeiten und weniger Umweltbelastung.“

Das bedeutet, dass nicht mehr allein die Flüssigkeit des Verkehrs im Vordergrund steht, sondern eine generelle Reduzierung des individuellen Autoverkehrs. Ein radikaler Perspektivwechsel, der vielen Pendlern nicht schmecken dürfte.

Strenge Kontrollen sollen Missbrauch verhindern

Ein großes Problem bei solchen Fahrgemeinschafts-Spuren ist die Einhaltung der Regeln. Wer kontrolliert, dass sich wirklich mehrere Personen in einem Auto befinden? Die Stadt Paris plant dafür ein Kontrollsystem, doch Strafen für Verstöße werden erst ab Mai verhängt.

Bis dahin könnten viele Autofahrer versucht sein, die Regeln zu umgehen – schließlich ist eine leere Fahrspur bei Stau eine große Versuchung. Ab Mai droht jedoch eine Geldstrafe von 135 Euro für alle, die die Spur unberechtigt nutzen. In sechs Monaten soll eine erste Bilanz gezogen werden.

Werden die Staus jetzt schlimmer?

Ein Argument gegen die Maßnahme: Die Umverteilung des Verkehrs könnte zunächst für noch mehr Staus auf den übrigen Spuren sorgen. Doch laut Dubois gehört genau das zum Konzept: „Es wird anfangs mehr Staus auf den anderen Spuren geben, aber das ist gewollt – es zwingt die Menschen, ihre Gewohnheiten zu überdenken.“

Viele Autofahrer nutzen den Périphérique nicht einmal, um nach Paris zu gelangen, sondern als Schnellstraße, um in andere Teile der Île-de-France zu fahren. Für diese Menschen bedeutet die neue Regelung eine echte Umstellung.

Ein gerechteres Verkehrssystem?

Kritiker halten die Fahrgemeinschafts-Spuren für unfair. Schließlich haben nicht alle die Möglichkeit, Mitfahrgelegenheiten zu organisieren. Dubois sieht das anders: „Die Region muss neu gedacht werden. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Île-de-France nur ein großer Arbeitsplatz ist, den man morgens durchquert und abends wieder verlässt.“

Letztlich sei die Lösung ein besser ausgebauter öffentlicher Nahverkehr. Das Projekt „Grand Paris Express“ – ein neues Metrosystem, das die Vororte verbindet, ohne durch das Zentrum zu führen – könnte in den kommenden Jahren eine echte Alternative zum Auto bieten.

Ein Schritt in die Zukunft – oder ein Verkehrsexperiment mit ungewissem Ausgang?

Die reservierten Spuren sind zweifellos ein mutiges Experiment. Sie könnten den Verkehr nachhaltig verändern, aber sie bergen auch Risiken: Wenn die Kontrollen nicht konsequent durchgeführt werden oder der öffentliche Nahverkehr keine ausreichende Alternative bietet, droht Frust bei den Pendlern.

Wird sich das neue System durchsetzen? Oder endet es als weiteres misslungenes Verkehrsprojekt? Die kommenden Monate werden es zeigen.

Autor: Catherine H.

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