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Drei Männer, ein Durchbruch, ein Preis von Weltrang: Der Physik-Nobelpreis 2025 geht an John Clarke, Michel H. Devoret und John M. Martinis. Gewürdigt wird ihre Arbeit an etwas, das einst als rein theoretisches Gedankenspiel galt – der makroskopischen Quantenmechanik in elektrischen Schaltkreisen.

Sie zeigten: Selbst ein winziger, aber doch greifbarer Stromkreis kann sich verhalten wie ein Teilchen, das sich durch eine Mauer „hindurchmogelt“. Keine Science-Fiction, sondern quantenphysikalische Realität – und nun mit der höchsten Auszeichnung der Wissenschaft bedacht.

Quantenmechanik zum Anfassen

Die Quantenphysik ist berüchtigt für ihre Abstraktheit. Wahrscheinlichkeiten statt Gewissheiten, Teilchen, die Wellen sind, Zustände, die gleichzeitig existieren – all das klingt wie ein Paradoxon auf Droge. Doch mitten in dieser faszinierenden Verwirrung lag eine fundamentale Frage: Wie groß darf ein System sein, damit es noch quantenmechanisch tickt?

Clarke, Devoret und Martinis gaben darauf eine verblüffende Antwort – mit einem Stromkreis, in dem sich Quanteneffekte erstmals makroskopisch nachweisen ließen.

In supraleitenden Schaltkreisen konstruierten sie eine Situation, in der elektrischer Strom nicht klassisch fließt, sondern durch eine potenzielle Barriere „tunnelt“. Das bedeutet: Das System überwindet ein Hindernis nicht, indem es Energie erhöht, sondern indem es sich schlichtweg hindurch schummelt – ein klassisches Quantentricksermanöver.

Und als wäre das nicht genug, zeigte sich auch: Die Energie in diesem System lässt sich nur in Portionen ändern. Keine kontinuierliche Skala, kein fließender Übergang – sondern Stufen. Wie bei Atomen. Nur eben viel größer.

Drei Pioniere des Undenkbaren

John Clarke, geboren 1942 im Vereinigten Königreich, lehrte und forschte an der University of California, Berkeley. Seine SQUID-Detektoren machten ihn schon früh zu einem Meister der supraleitenden Messtechnik. Michel H. Devoret, 1953 in Paris geboren, ist eine der Leitfiguren der modernen Quantenelektronik – sein Spezialgebiet: die „Quantronik“, eine faszinierende Schnittstelle von Schaltkreisen und Quantenphysik. John M. Martinis, Jahrgang 1958, arbeitete an der UC Santa Barbara und später an Quantencomputing-Projekten, die die Brücke von der Grundlagenforschung zur Anwendung schlugen.

Drei Wissenschaftler – drei Lebenswege – eine Erkenntnis: Die Grenze zwischen klassischer und quantenmechanischer Welt ist durchlässiger, als wir dachten.

Mehr als ein Preis: Ein Paradigmenwechsel

Dieser Nobelpreis ist nicht nur eine Ehrung für eine brillante Versuchsanordnung. Er ist ein Signal. Denn das, was Clarke, Devoret und Martinis erforschten, ist mehr als eine physikalische Kuriosität – es ist das Fundament kommender Technologien.

Quantencomputer etwa beruhen auf der Fähigkeit, Zustände zu erzeugen, die nicht „entweder-oder“, sondern „sowohl-als-auch“ sind. Sie rechnen nicht in Bits, sondern in Qubits – und brauchen Bauteile, die diese fragilen Zustände stabil halten. Genau solche Bauteile hatten die drei nun Ausgezeichneten in ihren Experimenten im Fokus.

Auch in der Sensorik, der Verschlüsselung, der Kommunikation bahnen sich durch diese Grundlagenarbeiten neue Wege. Wer solche Quantenzustände kontrollieren kann, der kontrolliert künftig womöglich das Informationszeitalter von morgen.

Ein Tunnel mit Zukunft

Die Vorstellung, dass ein Stromkreis wie ein Teilchen durch eine Barriere tunneln kann, war einst kaum mehr als ein Gedankenexperiment. Jetzt wurde sie ausgezeichnet – mit dem renommiertesten Preis der Physik.

Und vielleicht stellt sich in ein paar Jahren jemand eine andere Frage: Warum eigentlich hat das so lange gedauert?

Autor: Andreas M. B.

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