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Acht Millionen Besucher in weniger als neun Monaten – ein Monument, das Geschichte schrieb, schreibt und wohl immer schreiben wird. Die Kathedrale Notre-Dame de Paris ist zurück im Herzen der Stadt, zurück im Herzen der Menschen, zurück auf Platz eins der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Wer hätte nach dem verheerenden Brand im April 2019 gedacht, dass die Wunden so schnell verheilen könnten?


Ein Wunder aus Stein und Holz

Am 15. April 2019 stand die Welt still, als die Flammen das Dach und die ikonische Spitze von Notre-Dame verschlangen. Millionen Menschen hielten den Atem an, viele weinten, andere sangen spontan auf den Brücken der Seine, als ob Gesang allein den Einsturz verhindern könnte.

Dann kam der Wiederaufbau. Über 2.000 Handwerker, Restauratoren, Architekten und Ingenieure schrieben gemeinsam eine neue Seite der Baugeschichte. Fünf Jahre lang, mit einer Investition von rund 700 Millionen Euro, wurde ein Werk vollbracht, das heute selbst die Kritiker von damals verstummen lässt. „Noch schöner als zuvor“, versprach Emmanuel Macron – eine vollmundige Zusage, die bei der feierlichen Wiedereröffnung am 7. Dezember 2024 eingelöst wurde.


Menschenmassen in gotischen Hallen

Schon in den ersten Wochen nach der Wiedereröffnung zeigte sich: Die Kathedrale ist mehr als nur ein Bauwerk – sie ist ein Magnet. Zwischen Mitte Dezember 2024 und Ende Juni 2025 strömten über sechs Millionen Besucher nach Paris, um den neugeschaffenen Glanz mit eigenen Augen zu sehen.

Im Sommer kam es zu einem regelrechten Ansturm: 1,8 Millionen Eintritte allein im Juli und August. Anfang September knackte Notre-Dame die Marke von acht Millionen Besuchern – eine Zahl, die selbst für Paris außergewöhnlich ist. Bis zum Jahrestag der Wiedereröffnung im Dezember 2025 rechnen die Verantwortlichen mit bis zu 13 Millionen Gästen.


Zwischen Napoleon und Smartphone-Blitzen

Notre-Dame war schon immer ein Schauplatz von Geschichte. Hier krönte sich Napoleon 1804 zum Kaiser, hier fanden Staatsakte, Trauerfeiern und nationale Momente von unschätzbarem Wert statt.

Heute ist die Kathedrale ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart aufeinandertreffen. Touristen aus aller Welt halten ihre Smartphones in die Höhe, während Pariser Familien andächtig durch das Kirchenschiff schreiten. Das eine schließt das andere nicht aus – im Gegenteil. Notre-Dame ist beides: spirituelles Zentrum und Selfie-Hotspot.


Die Kehrseite des Erfolgs

Wo Millionen Menschen kommen, bleiben Herausforderungen nicht aus. Schon jetzt sprechen Stadtverwaltung und Kirche von einem „Balanceakt“. Wie lässt sich der Zustrom steuern, ohne die Kathedrale in eine Art Freizeitpark zu verwandeln?

Ein Online-Reservierungssystem soll die Besucherströme entzerren. Doch die Diskussion geht tiefer: Soll der Eintritt weiterhin kostenlos bleiben? Kulturministerin Rachida Dati brachte 2024 eine Abgabe von fünf Euro pro Tourist ins Gespräch – um mit den Einnahmen gefährdete Kirchen im ganzen Land zu restaurieren. Ein Vorschlag, der viel Zustimmung, aber auch Protest auslöste.


Mehr als nur ein Denkmal

Notre-Dame ist nicht einfach ein gotisches Meisterwerk. Sie ist ein Symbol dafür, dass auch das scheinbar Unmögliche möglich ist – wenn Menschen zusammenhalten. Der Wiederaufbau hat gezeigt, was Hingabe, Handwerk und Hoffnung bewirken können.

Die Kathedrale ist zurück. Majestätisch, verletzlich, lebendig. Und während Millionen Besucher unter ihrem Gewölbe staunen, bleibt eine Frage offen: Wird sie in den kommenden Jahren vor allem ein Monument der Vergangenheit sein – oder gelingt es, sie auch als Ort der Gegenwart neu zu erfinden?

Autor: C.H.

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