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Die Debatte um die Eintrittsgebühr für die weltberühmte Kathedrale Notre-Dame de Paris schlägt hohe Wellen. Während die französische Kulturministerin Rachida Dati einen Vorschlag unterbreitet hat, Touristen für den Eintritt in die Kathedrale zahlen zu lassen, stößt diese Idee auf Widerstand – insbesondere bei Historikern wie Alexandre Gady. Für ihn ist das nicht nur eine pragmatische Frage der Finanzierung, sondern eine „philosophische Zäsur“.

Ein radikaler Paradigmenwechsel

Für viele ist Notre-Dame nicht nur ein historisches Monument, sondern auch ein Symbol für offene Kultur und spirituelle Bedeutung. Die Idee, eine Eintrittsgebühr zu verlangen, wie sie von Dati vorgeschlagen wird – fünf Euro pro Tourist – würde laut Gady die Essenz dessen, was Notre-Dame ausmacht, verändern. „Eine bezahlte Kirche wird zum Museum“, argumentiert der Historiker scharf. Er stellt dabei klar: Eine solche Maßnahme gehe weit über bloße Zahlen hinaus, sie greife tief in die kulturelle und religiöse Bedeutung von Notre-Dame ein.

Gadys Vergleich ist eindeutig: „Wir versuchen, einige Museen kostenlos zu machen – und nun sollen Kirchen, die traditionell frei zugänglich sind, kostenpflichtig werden?“ Hier prallen zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite das Anliegen der Regierung, den Erhalt von Kirchen finanziell abzusichern, auf der anderen Seite der Wunsch, die Zugänglichkeit kultureller und religiöser Stätten nicht von finanziellen Mitteln abhängig zu machen.

„Eine buchhalterische Denkweise“

Für Gady spiegelt der Vorschlag einer Eintrittsgebühr ein größeres Problem wider – er spricht von einer „buchhalterischen Denkweise“, die in Frankreich um sich greife. Seiner Meinung nach suche man „an der falschen Stelle“ nach Geld. Mit anderen Worten: Es gehe nicht nur um Zahlen und Bilanzen, sondern um die grundsätzliche Frage, wie man den Zugang zu Kultur und Geschichte definiert.

Sein Argument gegen die Eintrittsgebühr hat auch eine praktische Komponente: „Eintrittsgebühren bedeuten Kassen, Personal, Kontrolle“, sagt er. Es klingt fast so, als ob er sich die Warteschlangen vorstellt, die Touristen durch Sicherheitsschleusen schleusen und Tickets kontrollieren. Das wäre zweifellos eine ganz andere Erfahrung, als die offene, fast magische Aura, die man bei einem spontanen Besuch von Notre-Dame erleben kann.

Die Kirche als „lebendiger Raum“

Ein weiterer Aspekt, den Gady hervorhebt, ist die Rolle der Kirche als lebendiger Raum. Notre-Dame ist mehr als ein touristisches Ziel – sie ist eine aktive Kathedrale, ein Ort des Glaubens. Eine Eintrittsgebühr würde diese Dualität in Gefahr bringen. Kirchen sind, so Gady, keine Museen. Sie sollten Orte sein, die allen offenstehen, unabhängig von ihrem finanziellen Hintergrund. Schließlich, so könnte man argumentieren, ist Notre-Dame nicht nur ein Symbol der französischen Kultur, sondern auch ein Ort spirituellen Trostes und Gemeinschaft für Gläubige aus aller Welt.

Alternative Finanzierungsmodelle

Doch wie lässt sich das Problem der Finanzierung lösen, wenn eine Eintrittsgebühr keine Option ist? Hier zeigt Gady, dass es durchaus Alternativen gibt. Eine seiner bevorzugten Lösungen ist die Erhöhung der sogenannten „taxe de séjour“ – einer Übernachtungssteuer, die Touristen in Frankreich zahlen. Ein paar Cent mehr pro Übernachtung könnten beträchtliche Summen generieren, ohne die Besucher direkt zu belasten oder den Zugang zu Kirchen einzuschränken. Ein pragmatischer Ansatz, der seit Jahren von Experten empfohlen wird.

Gadys Vorschlag, die „taxe de séjour“ leicht anzuheben, klingt auf den ersten Blick unspektakulär, aber in der Summe könnten solche Maßnahmen Millionen generieren. Man könnte fast sagen: „Kleinvieh macht auch Mist.“ Und das, ohne die Besucher von Kirchen wie Notre-Dame zu vertreiben oder das Wesen dieser Stätten zu verändern.

Berechtigte Kritik?

Natürlich gibt es auch Gegenargumente. Befürworter einer Eintrittsgebühr könnten argumentieren, dass fünf Euro für viele Touristen kein Hindernis darstellen. Angesichts der immensen Unterhaltskosten – Notre-Dame muss schließlich nach dem verheerenden Brand von 2019 restauriert werden – erscheint eine Gebühr von fünf Euro moderat. Aber hier kommt wieder Gadys Punkt ins Spiel: Es geht nicht nur um Geld, sondern um die symbolische und praktische Bedeutung einer kostenfreien Kirche.

Die Idee, Eintrittsgelder als Lösung für finanzielle Engpässe zu sehen, mag kurzfristig verlockend erscheinen, aber – so Gadys Überzeugung – wäre das ein Schritt in die falsche Richtung. Kirchen wie Notre-Dame sind nicht nur Gebäude, sie sind lebendige Symbole einer langen und reichen Geschichte. Und diese Geschichte sollte nicht durch Drehkreuze und Tickets entwertet werden.

Die Zukunft von Notre-Dame

Was bleibt also von dieser Debatte? Eines ist klar: Die Frage, wie man Notre-Dame und andere Kirchen finanziert, wird auch in Zukunft eine Rolle spielen. Aber vielleicht zeigt uns gerade diese Diskussion, dass wir uns nicht allein auf ökonomische Lösungen verlassen sollten. Es geht auch darum, welche Werte wir mit diesen Orten verbinden – und wie wir diese Werte für zukünftige Generationen bewahren.

Denn am Ende des Tages ist Notre-Dame nicht nur ein touristisches Highlight oder ein Bauwerk, das es zu erhalten gilt – sie ist ein Teil von uns allen, ein Stück kulturelles Erbe, das offen und zugänglich bleiben sollte.

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