Tag & Nacht

Einst war La Défense das Symbol für wirtschaftlichen Aufschwung und Modernität – heute kämpft das Pariser Geschäftsviertel mit einem massiven Leerstand. Der Siegeszug des Homeoffice, veraltete Bürotürme und sinkende Immobilienpreise setzen dem Quartier zu. Steht La Défense vor einem unaufhaltsamen Niedergang, oder kann es sich neu erfinden?


Freitags ausgestorben: Die Not der Geschäftsinhaber

Esther Miquel dachte, sie hätte einen perfekten Standort gewählt, als sie 2020 ihr japanisches Restaurant in La Défense eröffnete. Doch nach monatelanger Corona-Zwangspause kehrte die Kundschaft nur zögerlich zurück – und freitags so gut wie gar nicht.

„Freitags ist hier einfach niemand“, klagt sie. „Früher kamen die Leute in der Mittagspause oder auf einen Drink nach der Arbeit. Jetzt arbeiten sie von zu Hause aus – und wir sitzen auf unseren leeren Stühlen.“

Ähnlich geht es Christophe Macra, einem Weinhändler, der bereits seit 2011 in La Défense ansässig ist. Er dokumentiert akribisch den Leerstand im Viertel und klebt rote Markierungen auf eine Karte, um ungenutzte oder teilweise leerstehende Türme zu erfassen. Und die Zahl der roten Punkte wächst.

„Direkt neben uns werden zwei große Türme in den kommenden Monaten komplett geräumt“, sagt er besorgt. „Die Abwärtsspirale dreht sich weiter.“


Veraltete Türme und ein kollabierender Immobilienmarkt

Offiziellen Zahlen zufolge stehen aktuell 14 % der Büroflächen in La Défense leer – rechnet man nicht vermarktete, aber verfügbare Flächen hinzu, sind es sogar 19 %. Doch Insider vermuten, dass die Lage noch viel drastischer ist.

Besonders problematisch: Die einst so wertvollen Bürotürme verlieren rapide an Wert. Vor der Pandemie kostete ein Quadratmeter in einem sanierungsbedürftigen Hochhaus noch 6.400 Euro. Heute liegt der Preis teilweise bei nur 233 Euro pro Quadratmeter – und für Türme, die sich in Hotels umwandeln ließen, sogar bei lächerlichen 88 Euro.

Die Konsequenz: Viele Eigentümer zögern Investitionen hinaus, weil sich eine Sanierung wirtschaftlich kaum lohnt. So bleiben zahlreiche Gebäude ungenutzt, während sich La Défense zunehmend in eine Geisterstadt verwandelt.


Neue Hochhäuser – aber keine Mieter

Das Problem betrifft nicht nur alte Türme. Selbst brandneue Gebäude tun sich schwer, Mieter zu finden. Paradebeispiel: die Tour Hekla, die im Dezember 2022 mit viel Tamtam eröffnet wurde. Mit ihren 49 Etagen und 76.000 Quadratmetern Bürofläche sollte sie das neue Wahrzeichen von La Défense werden. Doch große Teile des Gebäudes stehen nach wie vor leer.

Pierre-Yves Guice, Direktor von Paris La Défense, bleibt gelassen: „Es dauert immer eine Weile, bis ein Neubau komplett vermietet ist. Ja, aktuell dauert es vielleicht etwas länger – aber auf lange Sicht sehe ich keine Gefahr.“

Doch „lange Sicht“ ist ein dehnbarer Begriff. Bis sich ein neuer Trend abzeichnet, bleiben Büroflächen ungenutzt – und Investoren skeptisch.


Grüner, lebenswerter, vielseitiger – die Rettungspläne

Wie also kann La Défense aus der Krise kommen? Die Verantwortlichen setzen auf zwei große Strategien: mehr Grünflächen und eine stärkere Nutzung für Wohn- und Bildungszwecke.

Ein gigantisches Begrünungsprojekt soll 2025 starten. Ziel: 60 % der Esplanade mit Pflanzen, Bäumen und Grünflächen zu gestalten, um die Umgebung attraktiver zu machen. Das klingt vielversprechend, aber wann genau die Arbeiten abgeschlossen sein werden, bleibt offen.

Ein weiteres Konzept: mehr Studenten ins Viertel holen. Geplant sind 5.000 neue Studentenwohnungen durch die Umwandlung von 150.000 Quadratmetern bestehender Büroflächen.

Doch nicht alle glauben, dass das reicht. Jean-Christophe Fromantin, Bürgermeister des angrenzenden Neuilly-sur-Seine, hält das für Flickwerk: „Ein paar Wohnungen und Studenten werden keine Investoren anziehen. La Défense braucht eine viel größere Vision.“

In einer kürzlich veröffentlichten Kolumne forderte er sogar Präsident Emmanuel Macron auf, sich für La Défense starkzumachen – so wie er es für Notre-Dame oder den Louvre getan hat. Ein gewagter Vergleich, aber er zeigt, wie ernst die Lage ist.


Zwischen Krise und Chance – die Zukunft von La Défense

Steht La Défense also vor dem Aus? Noch nicht. Doch der alte Büro-zentrierte Ansatz funktioniert nicht mehr. Nur wenn das Viertel vielfältiger, lebendiger und innovativer wird, kann es wieder florieren.

Die nächsten Jahre werden entscheidend sein. Bleibt La Défense ein sterbendes Geschäftsviertel – oder wird es ein moderner, gemischter Stadtteil mit Zukunft?

Die Antwort liegt in den Händen der Stadtplaner, Investoren und Politiker.

Autor: C. Hatty

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