Tag & Nacht


Donald Trump hat in seiner ersten Amtszeit mit rhetorischen Grenzüberschreitungen Politik und Furore gemacht. In seiner zweiten, nach dem Wahlsieg 2024, werden aus impliziten Andeutungen nun explizite Forderungen. Der Begriff „Remigration“, bislang ein ideologischer Kampfbegriff der europäischen Rechten, ist mittlerweile Teil offizieller Verlautbarungen seiner Regierung. Was steckt hinter dem Wort – und welche politischen Konsequenzen birgt es?

Trump nutzt „Remigration“ nicht mehr nur als Schlagwort. Er deutet an, eine Rückführung von Migrantinnen und Migranten sei notwendig, um „die amerikanische Gesellschaft zu retten“. In sozialen Medien erklärte er jüngst, „nur eine Rück-Migration könne die Situation vollständig heilen“. Dabei geht es nicht nur um illegale Einwanderung. Vielmehr wird suggeriert, dass auch Menschen mit legalem Aufenthaltsstatus oder sogar mit Staatsbürgerschaft das Land verlassen sollten, sofern sie nicht in ein bestimmtes kulturelles oder ethnisches Raster passen.

Ideologisches Erbe aus Europa

Der Begriff „Remigration“ stammt aus der Sprache europäischer Identitärer und Rechtsextremer. Er fungiert dort als Euphemismus für ethnisch motivierte Massenabschiebungen – mit dem erklärten Ziel, nationale „Reinheit“ wiederherzustellen. Besonders in Deutschland, Österreich und Frankreich wird der Begriff seit Jahren von rechtspopulistischen und rechtsradikalen Parteien verwendet, häufig in Verbindung mit der verschwörungstheoretischen „Great Replacement“-Erzählung: der angeblichen Ersetzung weißer europäischer Mehrheitsgesellschaften durch Migration.

In Deutschland war die Debatte besonders aufgeladen, nicht zuletzt wegen der historischen Erinnerung an Deportationen im Nationalsozialismus. Die politische Aufladung des Begriffs ist so stark, dass er 2023 zum Unwort des Jahres gekürt wurde – als Beispiel für ein menschenverachtendes, verschleierndes Sprachmuster.

Institutionalisierung in den USA

Was bislang als extremistische Rhetorik galt, erhält nun institutionelle Form. Trumps Regierung hat angekündigt, ein „Office of Remigration“ im State Department schaffen zu wollen. Das Department of Homeland Security (DHS) verbreitete kürzlich in sozialen Netzwerken die Parole: „Remigration jetzt“. Dies ist keine rhetorische Eskalation mehr, sondern Ausdruck einer konkreten politischen Agenda.

Diese Agenda zielt nicht nur auf die Verhinderung künftiger Migration, sondern auch auf die Umkehr bereits erfolgter Einwanderung. Damit wird ein Bruch mit jahrzehntelanger US-Einwanderungspolitik vollzogen, die – bei aller Kritik – auf Integration, Regularisierung und legale Einwanderung setzte.

Ein Einzelfall als politischer Hebel

Ausgelöst wurde die jüngste Welle rund um „Remigration“ durch einen gewalttätigen Vorfall in Washington: Ein afghanischer Flüchtling, der zuvor mit amerikanischen Einheiten in Afghanistan gearbeitet hatte, erschoss mutmaßlich einen Nationalgardisten und verletzten einen weiteren schwer. Obwohl es sich um einen Einzelfall handelt, nutzte Trump das Ereignis umgehend, um Migration aus ärmeren Ländern pauschal als Sicherheitsrisiko darzustellen. Die Vergabe von Visa an afghanische Staatsbürger wurde ausgesetzt, Asylanträge gestoppt.

Solche Generalverdächtigungen sind nicht neu. Doch in der Verbindung mit einem Begriff wie „Remigration“, der in seiner Logik auf pauschale Diskriminierung hinausläuft, wird daraus ein gefährlicher politischer Kurswechsel.

Gesellschaftspolitische und rechtliche Implikationen

Die Diskussion um „Remigration“ berührt fundamentale Prinzipien liberaler Demokratien. Das Recht auf Asyl, der Schutz vor willkürlicher Ausweisung und die Gleichheit vor dem Gesetz stehen zur Disposition, wenn Herkunft oder kulturelle Prägung zur Kategorie staatlicher Zugehörigkeit gemacht werden.

Remigration bedeutet in letzter Konsequenz nicht nur eine restriktive Einwanderungspolitik, sondern eine Politik der sozialen Selektion – entlang ethnischer, religiöser oder kultureller Kriterien. Dies widerspricht nicht nur internationalem Recht, sondern auch zentralen Verfassungswerten westlicher Demokratien.

Export rechter Ideen

Die Übernahme des Begriffs „Remigration“ durch die US-Regierung zeigt, wie sich rechtsextreme Narrative international verbreiten. Was in Europa als extremistisch galt, wird nun in den USA zum Bestandteil offizieller Politik. Es handelt sich um einen transatlantischen Ideenimport, der sich nicht auf Sprache beschränkt, sondern inzwischen sogar institutionelle Realität schafft.

Dass ein Konzept, das im Kern auf Ausschluss und ethnisch definierte Zugehörigkeit zielt, in einem Einwanderungsland wie den USA politische Gestalt annimmt, markiert einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel. Es ist ein Signal, das weit über die Vereinigten Staaten hinaus Resonanz finden dürfte – in einer Welt, in der Migration zum zentralen Thema gesellschaftlicher Auseinandersetzungen geworden ist.

Autor: Andreas M. Brucker

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