Eine traditionsreiche Produktionsstätte, Jahrzehnte voller Innovation – und jetzt der letzte Vorhang. Rossignol, der bekannte französische Skihersteller, zieht einen Schlussstrich unter seine Fertigung im beschaulichen Sallanches in der Haute-Savoie. 57 Mitarbeiter stehen vor dem Nichts, eine Ära geht zu Ende. Und mit ihr verschwindet die letzte große Skifabrik Frankreichs – ein Stück Heimat, nicht nur für Wintersportfans.
Ein Haus mit Geschichte
1963 öffneten sich die Tore der Fabrik. Damals ahnte niemand, dass hier bald Ski produziert würden, die auf olympischen Pisten um Medaillen kämpften. Marken wie Dynastar, die hier vom Band liefen, wurden zu Synonymen für Qualität und Geschwindigkeit. In den Achtzigern arbeiteten bis zu 800 Menschen an jährlich einer halben Million Paar Ski. Die Hallen brummten, das Werk war ein Motor der lokalen Wirtschaft.
Doch wie so oft im Industriezeitalter: Die Zahlen wurden kleiner, der Druck größer. In den letzten Jahren reduzierte sich die Produktion auf rund 120.000 Paar pro Jahr. Die Belegschaft schrumpfte dramatisch – und mit ihr auch das Vertrauen in eine sichere Zukunft.
Wenn Wirtschaftlichkeit zur Bremse wird
Rossignol nennt klare Gründe: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmten einfach nicht mehr. Investitionen gab es – 2021, 2022, 2024 –, doch unterm Strich blieben Verluste. 2,1 Millionen Euro in drei Jahren – ein bitteres Resultat für ein Werk, das einst als Flaggschiff der Branche galt.
Zudem explodierten die Energie- und Rohstoffpreise. Gleichzeitig wurde der Markt rauer. Die Folge? Eine strategische Neuausrichtung: Künftig will Rossignol seine Ski vor allem in Saint-Jean-de-Moirans (Isère) und im spanischen Artés produzieren. Letzteres übernimmt mittlerweile ohnehin einen Großteil der Fertigung.
Die Region fühlt sich verraten
Die Reaktionen in der Region? Laut, emotional – und verständlich. Xavier Roseren, Abgeordneter der Nationalversammlung, machte seinem Ärger Luft: Die Entscheidung sei eine „Ohrfeige für das Pays du Mont-Blanc“. Er erinnerte daran, dass das Werk 2022 profitabel gewesen sei – also warum dieser Schritt?
Und dann wäre da noch die Debatte um staatliche Unterstützung. 1,2 Millionen Euro sollen laut Roseren für die Modernisierung geflossen sein. Rossignol hingegen spricht von lediglich 180.000 Euro – investiert in neue Maschinen. Da prallen Welten aufeinander.
Mehr als eine Fabrik
Die Schließung betrifft nicht nur die 57 Angestellten. Sie steht sinnbildlich für ein größeres Problem: den Rückzug der industriellen Produktion aus Frankreich. Und für die Region ist es ein Schlag ins Herz – wirtschaftlich, aber auch kulturell. Die Fabrik war nicht nur ein Arbeitsplatz – sie war Teil der Identität.
Man spürt hier eine Mischung aus Trauer und Wut. Auch, weil man weiß: Der Verlust wird sich nicht so einfach kompensieren lassen. Das Know-how, die Leidenschaft, die Generationen von Arbeitern, die hier ihre Spuren hinterlassen haben – all das geht mit einem Schlag verloren.
Wie weiter?
Was bleibt, ist die Frage nach dem „Warum“. Muss man wirklich alles dem globalen Wettbewerb opfern? Ist Effizienz immer wichtiger als Heimatverbundenheit und Tradition? Vielleicht braucht es mehr als Wirtschaftspläne – vielleicht braucht es Mut zur Verantwortung.
Frankreich steht an einem Wendepunkt. Die industrielle Basis schwindet, und mit ihr verschwinden Geschichten, die das Land geprägt haben. Die Schließung von Rossignol in Sallanches ist ein Symbol dafür – ein lautes, trauriges und unbequemes.
Aber wer weiß – vielleicht wird genau dieser Moment der Auslöser, neu über Industriepolitik nachzudenken. Denn eines ist sicher: Ohne regionale Fertigung, ohne Menschen, die ihre Arbeit mit Stolz und Können machen, verliert ein Land mehr als nur Produktionszahlen.
Autor: Catherine H.
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!