Nach mehr als drei Jahren Krieg zeichnet sich eine mögliche Verhandlungslösung im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ab. Eine zentrale Rolle spielt dabei die von den USA vorgeschlagene 30-tägige Waffenruhe, die als vertrauensbildende Maßnahme dienen soll. Doch die Bedingungen beider Seiten sind bislang kaum miteinander vereinbar.
Russland verfolgt weiterhin die strategischen Ziele, die es zu Beginn der Invasion formuliert hatte: die Verhinderung eines NATO-Beitritts der Ukraine, eine erhebliche Reduzierung der ukrainischen Streitkräfte und die offizielle Anerkennung der russischen Sprache und Kultur. Darüber hinaus fordert Moskau, dass Kiew seine Truppen aus den vier Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson zurückzieht – Gebiete, die Russland im September 2022 annektiert hat, jedoch nie vollständig unter seine Kontrolle bringen konnte.
Ein weiterer wesentlicher Punkt auf der russischen Agenda ist die Aufhebung der westlichen Sanktionen und die Freigabe eingefrorener russischer Vermögenswerte. Präsident Wladimir Putin sieht zudem die NATO-Präsenz nahe der russischen Grenze als Sicherheitsbedrohung und fordert eine Rücknahme der militärischen Stärkung der osteuropäischen Allianzmitglieder. Ein entscheidender Streitpunkt ist zudem die Legitimität des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dessen reguläre Amtszeit bereits ausgelaufen ist. Moskau stellt infrage, ob er überhaupt befugt ist, einen bindenden Friedensvertrag zu unterzeichnen.
Die Ukraine verfolgt hingegen das Ziel, Sicherheitsgarantien von internationalen Partnern zu erhalten, um sich gegen weitere russische Aggressionen zu schützen. Da ein NATO-Beitritt kurzfristig nicht realistisch erscheint, setzen Kiews westliche Verbündete auf alternative Sicherheitsarrangements. Eine mögliche Lösung wird in einer „Koalition der Willigen“ gesehen, die bereit ist, Truppen zu stationieren oder militärische Unterstützung zu leisten. Parallel dazu betont die ukrainische Regierung die Notwendigkeit, ihre eigene Verteidigungsfähigkeit auszubauen. Eine Stärkung der Streitkräfte sowie eine Unabhängigkeit von ausländischer Rüstungshilfe sind zentrale Anliegen.
Auf territorialer Ebene zeigt sich die Ukraine zwar flexibel, indem sie keine unmittelbare Rückgabe aller seit 2014 verlorenen Gebiete verlangt, jedoch lehnt Kiew die offizielle Abtretung ukrainischen Territoriums entschieden ab. Ein weiteres Kernthema ist die Forderung nach der Rückführung von ukrainischen Kindern, die illegal nach Russland deportiert wurden, sowie die Freilassung von in Russland inhaftierten Zivilisten.
Die Verhandlungen werden durch die wechselseitigen roten Linien erschwert. Während Moskau strikt gegen jegliche NATO-Präsenz in der Ukraine ist, betrachtet Kiew den Verlust weiterer Gebiete als nicht verhandelbar. In diesem Spannungsfeld versuchen die USA, einen pragmatischen Ansatz zu finden. US-Präsident Donald Trump signalisierte in einem Telefonat mit Putin seine Bereitschaft, Fragen der territorialen Kontrolle und der Energieinfrastruktur in die Gespräche einzubeziehen.
Auch in Europa wird diskutiert, wie eine tragfähige Sicherheitsarchitektur für die Ukraine aussehen könnte. Während einige EU-Staaten die Stationierung von Truppen zur Stabilisierung eines Waffenstillstands in Erwägung ziehen, herrscht Skepsis gegenüber der Zuverlässigkeit russischer Zusagen. Italien etwa hat bereits eine Beteiligung an einer internationalen Friedenstruppe ausgeschlossen.
Obwohl es diplomatische Bewegung gibt, bleibt die Wahrscheinlichkeit eines baldigen Waffenstillstands gering. Beide Seiten haben sich in ihrer Rhetorik festgelegt, und keiner der Hauptakteure scheint bereit, grundsätzliche Kompromisse einzugehen. Die kommenden Wochen dürften zeigen, ob sich die internationale Diplomatie gegen die Realitäten eines festgefahrenen Konflikts durchsetzen kann.
Von Andreas Brucker
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