Tag & Nacht






Die Sonne scheint nicht immer, der Wind weht nicht überall – aber Wellen? Die rollen unaufhörlich über die Meere. Genau das will das französische Unternehmen Seaturns nutzen. Ihr Konzept: Ein schwimmender Generator, der aus dem rhythmischen Auf und Ab der Wellen Strom erzeugt.

Die ersten Tests in der Rade de Brest, einer geschützten Bucht in der Bretagne, liefen erfolgreich. Das Unternehmen arbeitet mit Ifremer, dem renommierten französischen Meeresforschungsinstitut, zusammen. Ihr Prototyp – eine Art überdimensionierte, gelbe Stahlboje – trotzt nicht nur den Gezeiten, sondern auch den stärksten Stürmen. Sogar die Jahrhundertsturmflut Ciaran im Herbst 2023 konnte dem System nichts anhaben.

Aber kann diese Technologie wirklich mit Solar- und Windkraft mithalten? Und was macht sie so besonders?


Das Prinzip: Energie aus dem Wellenrhythmus

Die Idee hinter Seaturns’ Technologie ist eigentlich verblüffend einfach:

  • Ein hohles, mit Wasser gefülltes Stahlgehäuse schwimmt auf der Meeresoberfläche.
  • Durch den Wellengang bewegt es sich auf und ab – genau wie eine Boje.
  • Im Inneren treibt das Wasser eine Turbine an, die Strom erzeugt.
  • Der Strom wird über Kabel an Land geleitet.

Klingt simpel – und genau das ist der Clou. Denn einfach bedeutet oft auch robust und kostengünstig. Vincent Tournerie, Gründer von Seaturns, ist überzeugt: „Unsere Technologie benötigt keine komplizierten Mechanismen, was Wartungskosten erheblich senkt.“

Und tatsächlich: Das erste Modell hat 16 Monate im Wasser überstanden – mit Algenbewuchs, Muscheln an den Ankerkabeln und allem, was das Meer sonst noch so mit sich bringt. Kein Problem für den Prototypen.


Stürmische Tests und spannende Herausforderungen

Der wahre Härtetest für das System kam mit der gewaltigen Sturmflut Ciaran Ende 2023. Dieser Orkan war einer der heftigsten, die die Bretagne in den letzten 35 Jahren getroffen haben. Doch der Seaturns-Prototyp blieb stabil.

Gabriel Canteins, Innovationschef des Unternehmens, erklärt: „Je mehr Energie in den Wellen steckt, desto mehr Strom erzeugt unser System.“ In anderen Worten: Während Windkraftanlagen bei zu starkem Wind abgeschaltet werden müssen, profitiert Seaturns von extremem Wetter.

Die nächste große Herausforderung: der Bau eines Modells in Originalgröße. Der neue Flotter wird beeindruckende 42 Tonnen wiegen, 7,50 Meter hoch und 14,50 Meter lang sein – viermal so groß wie der Prototyp.

Und mit der Größe kommen neue Fragen:

  • Wie transportiert man so ein riesiges Gerät aufs offene Meer?
  • Wie verankert man es sicher am Meeresboden?
  • Wie einfach lässt es sich warten?

Ingenieur Martin Träsch von Ifremer sieht darin die spannendsten kommenden Aufgaben.


Wellenkraft vs. Windkraft: Wer macht das Rennen?

Seaturns plant, 2025 ein voll funktionsfähiges Modell vor Saint-Nazaire ins Wasser zu lassen – einem wellenreichen Testgebiet. Falls alles nach Plan läuft, sollen zwischen 2026 und 2029 die ersten Wellenkraftwerke entstehen.

Hier wird’s interessant: Seaturns plant, seine Flotter in Gruppen von zehn zu platzieren. Damit entstehen Wellenparks, vergleichbar mit Offshore-Windparks – nur eben unterhalb der Wasseroberfläche. Das bedeutet einige Vorteile:

Geringere Sichtbarkeit – Keine riesigen Windräder am Horizont, nur ein paar Meter ragen aus dem Wasser.
Konstantere Energiequelle – Während Wind unberechenbar ist, liefern Wellen fast immer Bewegung.
Geringere Wartungskosten – Weniger bewegliche Teile bedeuten weniger Verschleiß.

Laut Unternehmenschef Tournerie sollen die Stromkosten von Seaturns mit Wind- und Solarenergie konkurrieren können. Damit könnte die Technologie eine wertvolle Ergänzung im Energiemix werden.


Ab 2030 auf den Weltmeeren?

Seaturns hat große Pläne. Ab 2030 könnte die Technologie weltweit zum Einsatz kommen. Besonders spannend ist das für:

🌍 Inselstaaten und abgelegene Küstenregionen, die bisher auf teure Dieselgeneratoren angewiesen sind.
🏭 Industriestandorte, etwa für die Wasserstoffproduktion oder Meerwasserentsalzung, die große Mengen an Strom benötigen.
💡 Energiewende-Staaten, die nach neuen Lösungen für klimaneutrale Stromquellen suchen.

Bis dahin braucht das Unternehmen allerdings noch finanzielle Unterstützung: 2,4 Millionen Euro sind nötig, um die Serienproduktion ins Rollen zu bringen. Kooperationen mit der Industrie sind daher ein entscheidender nächster Schritt.


Fazit? Die Zukunft könnte wellig werden!

Seaturns ist auf einem vielversprechenden Weg. Die ersten Tests haben bewiesen, dass das System sowohl technisch als auch wirtschaftlich Potenzial hat.

Ob sich Wellenkraft langfristig durchsetzt, hängt von mehreren Faktoren ab:
🔹 Kann sie wirklich mit Wind- und Solarenergie mithalten?
🔹 Lassen sich die Bau- und Wartungskosten wie versprochen niedrig halten?
🔹 Wird es genug Investoren geben, um das Konzept großflächig umzusetzen?

Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Vision von Seaturns Realität wird. Doch eines steht fest: Das Meer hat noch viel ungenutzte Energie zu bieten – und vielleicht ist es genau das, was wir für die grüne Zukunft brauchen.

Autor: Andreas M. Brucker

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!