Die zweite Amtszeit von Donald Trump ist noch jung – und doch häufen sich bereits jetzt die Pannen in einer Weise, die selbst für seine turbulente politische Karriere bemerkenswert ist. Der jüngste Vorfall: Einem prominenten US-Journalisten wurden versehentlich streng geheime Informationen über geplante Luftschläge gegen die Huthi-Rebellen im Jemen übermittelt – noch bevor die Operation begann. Ein Vorgang, der nicht nur als schwerwiegender Fehler eingestuft werden muss, sondern als symptomatisch für eine Administration, die durch ideologischen Eifer, mangelnde Professionalität und operative Sorglosigkeit geprägt ist.
Die Beteiligten an dem Leak sind keine Randfiguren. Es handelt sich um zentrale Mitglieder der Sicherheitsarchitektur: Außenminister Marco Rubio, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Sicherheitsberater Michael Waltz und Vizepräsident JD Vance. Dass ein solches Gremium auf einem Kommunikationskanal wie „Signal“ strategische Militärpläne austauscht und dabei versehentlich einen Journalisten einbindet, ist nicht nur ein handwerkliches Versagen – es offenbart eine beunruhigende Missachtung der institutionellen und rechtlichen Standards, auf denen staatliches Handeln eigentlich fußt.
Verschärfend kommt hinzu, dass die Nachrichten auf dem Messenger-Dienst so eingestellt waren, dass sie sich nach einer gewissen Zeit selbst löschen – was aller Wahrscheinlichkeit nach gegen gesetzliche Aufbewahrungspflichten verstößt. Dass ausgerechnet Donald Trump, der Hillary Clinton einst wegen der Nutzung eines privaten E-Mail-Servers strafrechtlich verfolgt sehen wollte, nun selbst für weit gravierendere Verstöße gegen nationale Sicherheitsvorschriften verantwortlich zeichnet, zeigt die Doppelzüngigkeit seiner politischen Rhetorik.
Doch der Zwischenfall ist kein Ausrutscher, kein einmaliger Ausreißer in einem ansonsten funktionierenden System. Vielmehr reiht er sich ein in eine Kette von Fehlentscheidungen, Missgriffen und überstürzten Maßnahmen, die bereits jetzt das Bild dieser zweiten Präsidentschaft prägen. Innerhalb weniger Wochen wurden Sozialversicherungsnummern Hunderter US-Bürger veröffentlicht, Ebola-Programme versehentlich gestrichen, Fachpersonal für nukleare Sicherheit entlassen und dann überstürzt wiedereingestellt. Auch außenpolitische „Anfängerfehler“ wie voreilige Aussagen zu einem möglichen Ukraine-Kompromiss mit Russland belegen: Die neue Administration handelt schnell – und unüberlegt.
Das alles geschieht im Namen eines radikalen politischen Programms, das auf Entbürokratisierung und staatliche „Verschlankung“ zielt, in Wirklichkeit aber vor allem institutionelle Erfahrung durch Loyalität ersetzt. Die Gleichung ist einfach: Wer ideologisch auf Linie ist, bekommt Verantwortung übertragen – auch ohne entsprechende Qualifikation. Doch eine Regierung ist kein Wahlkampfteam. Sie erfordert Genauigkeit, Respekt vor Verfahren und ein Bewusstsein für die Tragweite jeder Entscheidung.
Die Schwächung staatlicher Institutionen durch Inkompetenz und Überhastung ist kein Kollateralschaden, sondern Teil einer politischen Strategie. Donald Trump hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er den „tiefen Staat“ fürchtet und verachtet – und dass er die bestehenden Mechanismen der Kontrolle und Rechenschaft aushebeln möchte. Seine zweite Amtszeit wirkt bisher wie ein Stresstest für die amerikanische Demokratie. Und je länger er andauert, desto mehr stellt sich die Frage, ob ihre Sicherheitsstrukturen stark genug sind, ihn zu bestehen.
Ein Präsident, der militärische Geheimnisse gefährdet, gefährdet nicht nur den Erfolg einzelner Operationen. Er schwächt das Vertrauen der Verbündeten, destabilisiert die eigene Befehlskette und untergräbt das internationale Ansehen der Vereinigten Staaten als verlässlicher Partner. Die strategische Bedeutung eines solchen Leaks kann kaum überschätzt werden.
Noch ist Zeit, gegenzusteuern – institutionell, parlamentarisch, auch juristisch. Doch sie läuft ab. Die Frage, die sich nun stellt, lautet nicht mehr, ob Donald Trumps zweite Präsidentschaft von Fehlern begleitet sein wird. Sondern wie groß der Schaden sein wird, den sie in den Grundfesten von Staat und Gesellschaft hinterlassen wird.
MAB
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