Tag & Nacht




Der Vieux-Port von Marseille erwachte am Dienstag, dem 8. Oktober, buchstäblich unter Wasser. In nur zwei Stunden fiel über der südfranzösischen Metropole mehr Regen, als normalerweise in einem ganzen Monat. Die Folge: Überflutete Straßen, stehende Busse und Bewohner, die bis zu den Knien im Wasser waten mussten.

Bereits um 7 Uhr morgens bot sich den Einwohnern von Marseille ein Bild der Verwüstung. Autos, die über Nacht geparkt waren, standen bis zur Motorhaube unter Wasser. Gullydeckel wurden durch die Wassermassen aus ihrer Verankerung gehoben, und die Innenstadt glich einer Seenlandschaft. Die morgendliche Routine wurde für viele zur Herausforderung, denn der öffentliche Nahverkehr kam teilweise völlig zum Erliegen. Auf Social Media kursierten Videos von Bussen, in denen die Fahrgäste mit nassen Füßen durch die überfluteten Gänge wateten – unfassbar, aber Realität.

Über 700 Notrufe in nur zwei Stunden

Zwischen 7 und 9 Uhr gingen bei den Einsatzkräften über 700 Hilferufe ein. Kein Wunder, denn laut Météo-France fielen innerhalb dieses kurzen Zeitraums ganze 80 mm Regen. Zum Vergleich: Das entspricht der Regenmenge eines gesamten Monats! „Das ist nicht das erste Mal in diesem Herbst“, sagte eine sichtlich frustrierte Restaurantbesitzerin, deren Lokal von den Wassermassen getroffen wurde. Bereits im September hatte es ähnliche extreme Regenfälle gegeben.

Marc Faveau, stellvertretender Direktor der Stadtverwaltung von Marseille, bestätigte die Zahlen und zeigte sich besorgt über die zunehmende Häufigkeit solcher Ereignisse. Auch wenn die Situation sich mittlerweile normalisiert hat, bleibt die Frage: War das nur ein Vorgeschmack auf das, was in Zukunft häufiger droht?

Naturgewalt oder menschengemacht?

Man muss kein Klimatologe sein, um zu ahnen, dass solche extremen Wetterereignisse – die scheinbar aus dem Nichts kommen – immer häufiger werden. In der Tat beobachten Experten seit Jahren einen Trend zu heftigeren und unvorhersehbareren Niederschlägen, die besonders in städtischen Gebieten verheerende Auswirkungen haben. Asphaltierte Straßen und dicht bebaute Flächen können das Wasser nicht aufnehmen, was zu einer schnellen Überflutung führt. Und die Bewohner, die in diesen Situationen völlig unvorbereitet sind, stehen buchstäblich im Wasser.

Aber woran liegt das? Der Klimawandel – ein Begriff, den viele vielleicht schon nicht mehr hören können – ist längst Realität. Heißere Sommer, intensivere Hitzewellen und sintflutartige Regenfälle, wie sie Marseille jetzt erlebt hat, sind die unangenehmen Begleiterscheinungen. Doch es sind nicht nur die Naturkräfte, die diese Katastrophen befeuern. Auch die Art und Weise, wie unsere Städte gebaut sind, spielt eine große Rolle. Beton und Asphalt verdrängen Grünflächen, die wie ein Schwamm funktionieren könnten – ein Problem, das in vielen Großstädten zu finden ist.

Die Feuerwehr im Dauereinsatz

Während die Bewohner versuchten, das Wasser aus ihren Häusern und Geschäften zu pumpen, arbeiteten die Feuerwehrleute von Marseille unermüdlich. Mehr als 700 Einsätze in nur zwei Stunden sprechen eine deutliche Sprache. Viele von ihnen mussten Keller leerpumpen, blockierte Straßen freimachen oder bei der Rettung von Fahrzeugen helfen, die im Wasser stecken geblieben waren. Auch für die Einsatzkräfte war das ein harter Tag, der sie an ihre Grenzen brachte.

„Es ist immer dasselbe“, so ein Feuerwehrmann erschöpft. „Jedes Jahr haben wir mindestens ein paar solcher Ereignisse. Aber so heftig wie heute – das ist neu.“ Die Stadtverwaltung hat zwar bereits Maßnahmen ergriffen, um das Abflusssystem zu verbessern, doch solche Regenmengen in so kurzer Zeit überfordern auch die besten Infrastrukturen.

Ein Blick in die Zukunft

Wenn man durch das geflutete Marseille geht, stellt sich schnell die Frage: Wie lange werden wir noch zusehen, bevor ernsthafte Schritte unternommen werden? Es gibt zwar Programme zur Verbesserung der städtischen Infrastrukturen, doch oft reicht das nicht aus, um solche extremen Wetterlagen zu bewältigen. Solange keine größeren Änderungen erfolgen – sowohl auf städtischer als auch auf globaler Ebene – bleiben die Bewohner Marseilles (und anderer betroffener Städte) anfällig für die Launen des Wetters.

Es wird auch Zeit, dass die Diskussion um den Klimawandel und seine Folgen nicht nur auf Expertenkreise beschränkt bleibt. Jeder von uns ist betroffen. Und vielleicht braucht es gerade solche dramatischen Ereignisse, um den Menschen vor Augen zu führen, wie ernst die Lage ist.

Was können wir tun?

Die Verantwortung liegt nicht nur bei der Politik. Natürlich sind umfassende politische Entscheidungen notwendig, um langfristige Lösungen zu finden. Aber auch auf lokaler Ebene können Maßnahmen ergriffen werden. Die Schaffung von mehr Grünflächen, die Verbesserung der Wasserableitungssysteme und der Schutz von natürlichen Schwämmen wie Feuchtgebieten sind nur einige der Möglichkeiten.

Gleichzeitig müssen die Bewohner sensibilisiert werden, wie sie sich bei solchen Wetterereignissen schützen können. Wer beispielsweise in tiefer gelegenen Gebieten wohnt, sollte Vorsorge treffen und sein Hab und Gut so lagern, dass es bei einer Überflutung nicht gleich zerstört wird.

Die Sonne kehrt zurück – aber was bleibt?

Am Nachmittag war die schlimmste Krise überstanden. Die Sonne kam heraus und ließ die überschwemmten Straßen langsam abtrocknen. Doch die Schäden sind immens. Für viele Geschäftsinhaber bedeutet dies, dass sie ihre Läden schließen und mit den Reparaturen beginnen müssen. Das Leben kehrt zwar zurück – aber die Erinnerung an diese stürmische Nacht bleibt.

Die Frage bleibt: Wird Marseille in Zukunft besser auf solche Wetterextreme vorbereitet sein? Oder sind solche Szenarien nun Teil des Alltags – so wie Hitzewellen im Sommer? Man darf gespannt sein, wie sich die Stadt entwickelt und welche Maßnahmen folgen werden.

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