Sommer, Sonne, Sorgen: In Frankreich fehlt es an Saisonkräften für die bevorstehende Urlaubssaison. Fast 200.000 Stellen in Hotels und Restaurants sind unbesetzt – und das in einer Branche, die auf die Sommersaison angewiesen ist.
Küste, Pool, Terrasse – und leere Stellen
Ein Beispiel aus den Bouches-du-Rhône: Ein idyllisch gelegenes Hotel mit allen Annehmlichkeiten für sommerliche Gäste kämpft mit akutem Personalmangel. Statt der benötigten vier Saisonkräfte stehen lediglich zwei zur Verfügung, um die Zimmer in Schuss zu halten. „Die Arbeit ist hart, und der Mangel an Personal belastet uns sehr“, sagt Cindy Tolosano, Direktorin des Best Western Paradou. „Wir suchen ständig nach Leuten – entweder finden wir niemanden oder sie bleiben nicht lange.“
Die Nachwirkungen von Covid-19
Seit der Covid-19-Pandemie ist dieses Problem allgegenwärtig. Fast alle Restaurants im Viertel kämpfen um Personal. Anna Taillandier, Betreiberin des Restaurants „Le Pirate“, sucht verzweifelt nach fünf Saisonkräften für Küche und Service. „Ich bin kurz vor dem Burn-out“, gesteht sie. „Wir schaffen es kaum noch, den Betrieb aufrechtzuerhalten.“
Lösungsansätze – aber reichen sie?
In Südfrankreich wurden für diesen Sommer 1.000 Studentenwohnungen während der Sommerferien zu reduzierten Preisen für Saisonkräfte bereitgestellt, eine Initiative des Studentenwerks CROUS und der Region. Doch ob das reicht, um den Mangel zu lindern? Eine rhetorische Frage – wahrscheinlich nicht.
Ursachen und Herausforderungen
Warum fehlen Saisonkräfte? Die Gründe sind vielfältig. Zum einen schrecken die Arbeitsbedingungen viele ab. Lange Arbeitszeiten, oft ohne geregelte Pausen, und körperlich anstrengende Tätigkeiten gehören zum Alltag in der Gastronomie. Zudem haben viele während der Pandemie die Branche gewechselt und / oder sich weiterqualifiziert.
Ein weiterer Faktor ist die Bezahlung. Viele Saisonkräfte verdienen kaum mehr als den Mindestlohn. In Regionen mit hohen Lebenshaltungskosten, wie dem Süden Frankreichs, reicht das oft nicht aus. Trotz der Bemühungen, bezahlbaren Wohnraum für Saisonarbeiter bereitzustellen, bleibt der Lohn ein entscheidender Hemmschuh.
Innovationen und Zukunftsperspektiven
Einige Betriebe setzen auf kreative Lösungen, um dem Personalmangel entgegenzuwirken. Automatisierung und Digitalisierung spielen eine immer größere Rolle. Selbstbedienungskioske und automatisierte Bestellsysteme entlasten das Personal und bieten den Gästen dennoch ein gutes Serviceerlebnis.
Auch die Ausbildung und Weiterbildung von Mitarbeitern rückt in den Fokus. Einige Hotels und Restaurants bieten intensive Schulungen an, um Quereinsteiger für die Branche zu gewinnen und zu halten. Doch das ist ein langer Weg und erfordert Geduld und Investitionen.
Ein Blick nach vorn
Die Frage bleibt: Wie kann die Branche langfristig attraktiv gestaltet werden? Es bedarf einer umfassenden Strategie, die Arbeitsbedingungen verbessert, faire Löhne sichert und attraktive Karriereperspektiven bietet. Gleichzeitig müssen Betriebe flexibler und innovativer werden, um den sich wandelnden Anforderungen gerecht zu werden.
Die kommende Urlaubssaison wird für viele Betriebe zur Bewährungsprobe. Mit Kreativität, Durchhaltevermögen und einem klaren Fokus auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter könnte die Branche diese Herausforderung meistern. Doch es braucht mehr als nur kurzfristige Maßnahmen – eine grundlegende Veränderung der Arbeitskultur in der Hôtellerie und Gastronomie ist unabdingbar.
In diesem Sommer werden viele Gäste vielleicht etwas mehr Geduld aufbringen müssen. Aber mit ein bisschen Verständnis und Rücksicht kann auch dieser Sommer unvergesslich werden – trotz oder gerade wegen der Herausforderungen. Denn was wäre ein Urlaub ohne die kleinen Überraschungen, die das Leben bunt und spannend machen?
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