Wie ein gestrandeter Held aus vergangenen Zeiten liegt sie da – majestätisch und stumm: die Fregatte L’Hermione. Eine originalgetreue Nachbildung des berühmten Segelschiffs, das 1780 den Marquis de La Fayette über den Atlantik brachte, um den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu unterstützen. Doch heute kämpft dieses schwimmende Symbol der Freiheit selbst ums Überleben – und die Uhr tickt gnadenlos.
Seit September 2021 liegt die L’Hermione in einer Werft im Hafen von Bayonne, genau genommen in Anglet, auf dem Trockenen. Der Grund: massive Schäden an ihrer hölzernen Struktur, verursacht durch Pilzbefall. Fachleute schlugen schon früh Alarm – die Schäden sind tiefgreifend, die Zeit drängt. Doch das Restaurierungsprojekt wurde abrupt gestoppt. Nicht aus Mangel an Können oder Engagement, sondern am lieben Geld.
Fünf Millionen Euro – das ist die Summe, die benötigt wird, um die Arbeiten wieder aufzunehmen und abzuschließen. Eine Mammutaufgabe für die betreuende Organisation „Hermione – La Fayette“, die sich seit Jahren mit Herzblut um das Schiff kümmert. Ohne diese Mittel, so die bittere Prognose, sei eine Rettung des historischen Nachbaus bis Ende Juni 2025 unwahrscheinlich. Danach – könne es schlicht zu spät sein.
Was bedeutet das? Nun, nicht nur das Ende eines Schiffsprojekts, sondern auch den Verlust eines bedeutenden Teils französischer Kulturgeschichte. Denn L’Hermione ist mehr als nur Holz und Segel – sie ist ein lebendiges Denkmal, das Geschichte greifbar macht. Schulklassen, Touristen, Handwerkslehrlinge – sie alle kamen an Bord, um ein Stück Vergangenheit zu erleben. Und genau das steht nun auf dem Spiel.
Die finanzielle Misere hat bereits erste Spuren hinterlassen. Die spezialisierten Schiffszimmerleute sind vom Gelände abgezogen worden, der Werftbetrieb ruht – und mit ihm die Hoffnung. Zwar versuchen engagierte Freiwillige, das Schiff so gut es geht zu pflegen – doch gegen den fortschreitenden Verfall hilft kein Besen und kein Lappen.
Trotzdem ist L’Hermione noch nicht verloren. Ein Manifest, unterzeichnet von knapp 90 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens – darunter TV-Moderator Stéphane Bern, die Seglerin Violette Dorange, der Rennsegler François Gabart und Schauspielerin Catherine Frot – fordert eindringlich zur Unterstützung auf. Ihr Appell: Dieses Schiff ist nicht nur ein Symbol der Vergangenheit, sondern ein Versprechen für die Zukunft. Ein Ort der Bildung, der Handwerkskunst, des Erlebens.
Doch Hand aufs Herz – wie oft retten große Worte ein sinkendes Schiff? Was L’Hermione jetzt braucht, ist keine Romantik, sondern blankes Kapital. Spenden – direkt, unkompliziert und dringend – sind über die Website der Organisation möglich: don.fregate-hermione.com. Jeder Beitrag zählt – ob von Privatpersonen oder großzügigen Mäzenen.
Die Situation ist dramatisch – aber nicht aussichtslos. Frankreich hat in der Vergangenheit bewiesen, dass es seine Schätze zu bewahren weiß, sei es der Wiederaufbau von Notre-Dame oder der Schutz traditioneller Berufe. Wird es auch diesmal gelingen?
Oder schauen wir bald auf ein Museumsstück, das nie das Wasser wiedersieht?
Die Antwort liegt in den Händen der Menschen – und in ihrer Bereitschaft, gemeinsam ein Stück Geschichte zu retten. Denn ein Schiff wie L’Hermione verdient nicht das Vergessen, sondern ein zweites Leben auf hoher See.
Von Andreas M. Brucker
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