Die spitze Replik kam ohne Umschweife. «Go fuck yourself», schleuderte Stephen Colbert dem US-Präsidenten Donald Trump am 21. Juli während seines Monologs entgegen – live im Fernsehen, mitten in der Primetime. Was zunächst wie eine derber formulierte Retourkutsche auf eine persönliche Attacke anmutet, ist in Wirklichkeit der jüngste Akt eines größeren Dramas, das derzeit die amerikanische Medienlandschaft erschüttert. Denn Colberts Sendung, die in den USA seit 2015 zur festen Institution in der Spätabendunterhaltung zählt, wird im Mai 2026 eingestellt – angeblich aus finanziellen Gründen. Doch der Zeitpunkt dieser Entscheidung wirft Fragen auf, die weit über das Fernsehen hinausreichen.
Ein unerwartetes Ende
Die Ankündigung von CBS kam überraschend: Am 17. Juli teilte der Sender mit, die «Late Show with Stephen Colbert» nach der laufenden elften Staffel nicht zu verlängern. Begründet wurde dies mit jährlichen Verlusten von rund 40 Millionen US-Dollar – trotz stabiler Quoten. In der Zielgruppe der 18- bis 49-Jährigen liegt die Show regelmäßig an der Spitze in ihrer Sendezeit. Der Sender spricht von «strategischer Neuausrichtung», doch viele Beobachter bleiben skeptisch. Denn nur wenige Tage vor der Absetzung hatte Colbert ein 16-Millionen-Dollar-Vergleich zwischen der Paramount-Gruppe (Muttergesellschaft von CBS) und Donald Trump in seiner Sendung scharf kritisiert.
Ein alter Feind
Trumps Häme ließ nicht lange auf sich warten. Auf seiner Plattform «Truth Social» feierte er das Ende der Sendung als «gerechte Strafe» für Colbert, den er als «Talentlosen mit schlechten Quoten» verspottete – und schob gleich nach, dass auch Jimmy Kimmel bald folgen werde. Die Häme war wenig überraschend: Colbert zählt seit Jahren zu den schärfsten Kritikern des republikanischen Präsidenten. In seinem satirischen Format entlarvte er regelmäßig dessen Rhetorik, Personalpolitik und juristische Eskapaden. Trump seinerseits verunglimpfte Colbert wiederholt als «unamerikanisch» und «feindlich gegenüber dem Volk».
Colberts Reaktion war entsprechend unmissverständlich. Er erklärte sich zum «Märtyrer» und versprach, die letzten zehn Monate seiner Sendung mit umso größerem Biss zu gestalten. In gewohnt ironischer Manier kommentierte er: «Sie haben meine Sendung getötet, aber mich am Leben gelassen.»
Solidarität unter Kollegen
Bemerkenswert war die Welle der Unterstützung, die Colbert aus dem Kreis seiner Kolleginnen und Kollegen entgegenschlug. Jimmy Fallon, Seth Meyers, Jon Stewart und John Oliver traten gemeinsam mit ihm in einer humorvollen Parodie auf eine «Kiss Cam» auf – ein deutliches Zeichen der Verbundenheit unter den prominenten Vertretern der «late-night television», die in den USA seit jeher auch eine politische Bühne ist.
In einer Zeit zunehmender Polarisierung zwischen progressiven und konservativen Medienhäusern sind Formate wie die von Colbert oder Oliver längst mehr als Unterhaltung. Sie fungieren als Sprachrohr einer urbanen, eher linken Öffentlichkeit – oft mit größerer Reichweite sogar als traditionelle Nachrichtensendungen. Dass gerade diese Stimme zum Schweigen gebracht wird, ist für viele ein politisches Signal.
Politischer Druck oder wirtschaftliche Rationalität?
Zahlreiche Politikerinnen und Politiker äußerten inzwischen Bedenken, ob die Entscheidung von CBS wirklich allein auf ökonomischen Erwägungen beruht. Die demokratischen Senatoren Elizabeth Warren und Bernie Sanders forderten Aufklärung über mögliche politische Einflussnahme. In einer gemeinsamen Erklärung betonten sie: «Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, ob wirtschaftliche Entscheidungen als Deckmantel für politische Säuberungen dienen.»
CBS wiederum verweist auf die prekäre Lage der Branche. Der Werbemarkt schrumpft, das Streaminggeschäft wächst langsamer als erhofft, und klassische lineare Formate kämpfen mit sinkenden Einnahmen. Der Rückzug großer Werbekunden aus der Spätabendwerbung habe die Finanzierung von Produktionen wie der «Late Show» zunehmend erschwert.
Tatsächlich befinden sich auch andere late-night-Formate unter Druck. NBC soll laut Insiderberichten Einsparungen bei der «Tonight Show» erwägen. Jimmy Kimmel bei ABC wurde zuletzt mehrfach nur kurzfristig verlängert. Das Genre, einst eine sichere Angelegenheit, steht angesichts veränderter Mediennutzung und fragmentierter Öffentlichkeiten vor einer ungewissen Zukunft.
Ein Lehrstück über Macht, Medien und Meinung
Der Fall Colbert wirft grundsätzliche Fragen auf: Inwieweit sind große Medienkonzerne in den USA bereit, journalistisch-satirische Formate zu schützen, wenn diese politisch anecken – selbst dann, wenn sie wirtschaftlich kaum tragfähig scheinen? Ist die Grenze zwischen publizistischer Freiheit und wirtschaftlicher Opportunität noch klar erkennbar? Und wie unabhängig kann ein Medium sein, wenn es Teil eines Konzerns ist, der gleichzeitig politische Deals schließt?
Ob die Absetzung der «Late Show» nun tatsächlich aus Kostengründen erfolgt oder einem politischen Kalkül folgt – die Wirkung ist bereits eingetreten. Eine prominente Stimme der Kritik wird künftig fehlen. Doch Colberts Ankündigung, seine Meinung auch nach dem Ende der Sendung frei zu äußern, zeigt: Die Debatte über Meinungsfreiheit, Medienmacht und politische Einflussnahme wird weitergehen. Nicht zuletzt im Vorfeld der US-Zwischenwahl 2026, die bereits jetzt ihre Schatten wirft.
Autor: P. Tiko
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