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Die Küsten verschwinden, das Wasser steigt – und Frankreichs Überseegebiete stehen dabei buchstäblich bis zum Hals im Klimawandel.

Während auf dem europäischen Festland viele noch diskutieren, ob und wie stark der Klimawandel wirklich spürbar ist, erleben Guadeloupe, Martinique, Mayotte und Co. schon heute die dramatischen Folgen. Ihre geografische Lage macht sie zum ersten Ziel der steigenden Meeresspiegel – eine stille, aber gnadenlose Bedrohung.

Der Klimawandel trifft mit voller Wucht

In den letzten hundert Jahren ist der Meeresspiegel weltweit um über 20 Zentimeter gestiegen. Klingt nach wenig? Für niedrig gelegene Küstenregionen ist das katastrophal. Ganze Landstriche in den französischen Überseegebieten drohen im wahrsten Sinne des Wortes unterzugehen. Martinique etwa könnte in den kommenden Jahrzehnten bis zu 13 Prozent seiner Fläche verlieren – weggespült von einer Zukunft, die längst begonnen hat.

Schon heute spüren viele Inseln die Konsequenzen: massive Erosion, eindringendes Salzwasser in Felder und Grundwasser, Überflutungen nach jedem stärkeren Sturm. Auf Saint-Pierre-et-Miquelon gibt es mit dem Dorf Miquelon bereits einen Ort, der zur Gänze umgesiedelt werden muss – 1,5 Kilometer weiter ins Landesinnere, hinauf auf einen sicheren Hügel. Derweil bleibt die alte Heimat dem Meer überlassen.

Wenn das Meer nicht mehr schützt, sondern zerstört

Früher galten Korallenriffe und Mangroven als natürliche Schutzschilde gegen Wellen und Wetter. Doch auch diese zerbrechlichen Ökosysteme kämpfen ums Überleben. In Guadeloupe sind rund 70 Prozent der Korallenriffe bereits stark beschädigt. Ohne diese biologischen Bollwerke verlieren die Küstengebiete nicht nur ihren natürlichen Schutzschild, sondern auch wertvolle Einkommensquellen wie Fischerei und Tourismus.

Mayotte steht exemplarisch für die doppelte Bedrohung: Neben dem Klimawandel setzen unkontrollierte Urbanisierung und Umweltzerstörung der Natur zu. Mangroven werden abgeholzt, Riffe zertrampelt – der Schutz verschwindet, die Gefahr wächst.

Hoffnung durch Anpassung – Wenn aus der Not Ideen entstehen

Doch nicht alles ist verloren. Die betroffenen Regionen zeigen, dass Widerstand nicht nur möglich, sondern auch kreativ sein kann.

Ökosysteme restaurieren: An vielen Orten werden Mangroven wieder angepflanzt und Korallen gezüchtet, um die natürlichen Schutzfunktionen zurückzubringen. Kleine Erfolge, die große Wirkung zeigen – wenn man sie durchhält.

Baupolitik ändern: Neue Risikopläne definieren, wo gebaut werden darf und wo nicht. Was simpel klingt, ist ein grundlegender Wandel in der Raumplanung – und ein notwendiger Schritt in die Zukunft.

Umsiedlungen planen: Auch wenn es schmerzt – manchmal ist ein Neuanfang die sicherste Option. Das Beispiel Miquelon zeigt, wie Relokalisierung vorbereitet werden kann, bevor das Wasser die Häuser erreicht.

Wissen weitergeben: Ein zentraler Baustein jeder Strategie: Aufklärung. Schulen, Gemeinden und Initiativen arbeiten daran, das Verständnis für die Bedrohung und die passenden Verhaltensweisen zu fördern.

Solidarität gefragt – Jetzt zählt jeder Beitrag

Was besonders bitter aufstößt: Die Überseegebiete tragen kaum zur globalen Klimaerwärmung bei, leiden aber überproportional unter ihren Folgen. Deshalb müssen sie mehr Unterstützung erhalten – nicht irgendwann, sondern jetzt.

Mehr Geld: Ohne ausreichende finanzielle Mittel bleibt jede Strategie ein Papiertiger. Frankreich und die internationale Gemeinschaft sind gefragt, konkrete Hilfen bereitzustellen.

Globale Zusammenarbeit: Der Austausch von Know-how, Technologie und Erfahrungen kann helfen, schneller wirksame Lösungen zu finden. Denn die Probleme sind ähnlich – ob in Polynesien oder in der Karibik.

Traditionelles Wissen nutzen: Die Bewohner dieser Inseln leben seit Generationen mit dem Ozean. Ihre Erfahrungen und ihr Wissen sollten nicht belächelt, sondern ernst genommen und eingebunden werden.

Es geht um mehr als nur Land

Was auf dem Spiel steht, ist mehr als nur ein paar Meter Küstenlinie. Es geht um Heimat, um Kultur, um Identität – und um das Recht auf eine Zukunft in Sicherheit. Die Überseegebiete sind nicht Randnotizen im französischen Klima-Kapitel, sondern ein emotionaler Weckruf an uns alle.

Die Frage ist nicht mehr, ob wir handeln sollen, sondern wie schnell und wie entschlossen. Denn das Wasser steigt – und mit ihm der Druck auf uns alle.

Von Andreas M. Brucker

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