Während Europa seine Klimapolitik zunehmend verwässert, verfolgt China eine andere Logik: Für Peking ist die ökologische Transition kein Kostenfaktor, sondern ein strategisches Instrument zur ökonomischen und geopolitischen Stärkung.
Europa auf Rückzug
Zentrale Bausteine des europäischen Green Deal werden derzeit abgeschwächt oder verzögert. Gesetzesinitiativen gegen Entwaldung, strengere Emissionsgrenzen für Autohersteller und neue Biodiversitätsvorgaben stoßen auf politischen Widerstand. Auch die geplante Anti-Greenwashing-Richtlinie, die klare Nachhaltigkeitsstandards für Produkte vorsah, wurde gestoppt.
Offiziell sollen diese Schritte administrative Lasten von Unternehmen nehmen und Bürokratie abbauen. Doch Umweltverbände und Teile der Wirtschaft warnen vor einem Verlust ökologischer Glaubwürdigkeit und Innovationskraft. Die EU riskiere, sich strategisch zu schwächen, wenn sie beim ökologischen Umbau zurückfalle.
Chinas entschlossene Strategie
China verfolgt einen gänzlich anderen Ansatz. Das Land investiert in einem Umfang in grüne Technologien, der globale Maßstäbe setzt. Allein im vergangenen Jahr floss der Großteil der weltweiten Investitionen in Windkraft, Solartechnologie und Batteriespeicher nach China. Das Land dominiert heute die gesamte Lieferkette von Solarpanels über Lithium-Ionen-Batterien bis zu Windturbinen.
Dabei versteht China die Energiewende als industrielles Entwicklungsprogramm. Erneuerbare Energien tragen bereits maßgeblich zum Wirtschaftswachstum bei und schaffen hunderttausende Arbeitsplätze in Zukunftssektoren. Die technologische Führungsrolle sichert Exportmärkte und verringert geopolitische Abhängigkeiten.
Vom Kosten- zum Machtparadigma
Während Europa die ökologische Transition vor allem als regulatorische und fiskalische Herausforderung diskutiert, behandelt China sie als Instrument geopolitischer Gestaltung. Die energetische Transformation wird in die nationale Entwicklungsstrategie integriert. Die Logik dahinter ist eindeutig: Wer bei grünen Technologien weltweit führend ist, diktiert langfristig Standards und Märkte.
Diese Herangehensweise speist sich aus dem Verständnis, dass Umweltpolitik kein sektorales Projekt ist, sondern industrielle, außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Dimensionen hat. Die Debatte um Net-Zero-Ziele tritt dabei in den Hintergrund gegenüber Fragen nach technologischer Souveränität und globaler Wettbewerbsfähigkeit.
Europa am Scheideweg
Für Europa ergibt sich daraus eine strategische Frage: Bleibt es bei einer Klimapolitik, die vor allem Verzicht und Belastung in den Vordergrund stellt, oder entwickelt es eine Vision, die ökologische Transformation als Wachstums- und Industriestrategie versteht? Die aktuellen Rückschritte könnten nicht nur klimapolitische Ambitionen gefährden, sondern auch die wirtschaftliche Eigenständigkeit.
Chinas Beispiel zeigt, dass ökologische Modernisierung kein Widerspruch zu ökonomischer Stärke sein muss – im Gegenteil. Entscheidend ist, ob politische Entscheidungsträger die Energiewende als isolierte Umweltpolitik betrachten oder als zentrales Element geopolitischer und industrieller Resilienz. Im globalen Wettbewerb um Technologien, Märkte und Einfluss wird dieser Unterschied die Kräfteverhältnisse der kommenden Dekaden prägen.
Autor: P. Tiko
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!