Tag & Nacht




Es beginnt leise. Mit einem leichten Kratzen im Hals, einem Husten, der nicht weggeht, einer plötzlichen Müdigkeit, die selbst den stärksten Kaffee alt aussehen lässt. Wer derzeit in den USA unterwegs ist, kennt das Szenario: Ein Kollege fehlt im Büro, die Kita bittet um Vorsicht, die Schlange vor dem Testzentrum wird wieder länger. Willkommen im Spätsommer 2025 – der „Stratus“-Variante sei Dank.

Denn während viele gedanklich schon im Herbstmodus sind, rollt eine neue Infektionswelle über das Land. Treiber dieser Entwicklung ist ein neuer Subtyp von SARS-CoV-2: XFG – besser bekannt unter dem wolkig harmlos klingenden Namen „Stratus“.

Doch ganz so harmlos ist dieser Stratus nicht.

Ein Land unter Druck

Aktuell steigen die COVID-Zahlen flächendeckend. Und das ist wörtlich gemeint: In mehr als 40 Bundesstaaten verzeichnen die Behörden eine deutliche Zunahme von Infektionen – kein einziger Staat meldet rückläufige Fallzahlen. Besonders stark betroffen sind Gegenden im Süden und Westen der USA. Und obwohl sich der Anstieg noch nicht in dramatischen Krankenhausüberlastungen niederschlägt, die Entwicklung bedeutet Alarm.

Denn es ist nicht nur die Zahl der positiven Tests, die zu denken gibt. Auch die Abwasserüberwachung – ein Frühwarnsystem, das mittlerweile weltweit im Einsatz ist – zeigt: Die Viruskonzentrationen sind in vielen Regionen sprunghaft angestiegen. In Bundesstaaten wie Texas, Utah, Nevada oder Hawaii wurden teils Rekordwerte gemessen. Übersetzt bedeutet das: Viel Virus in der Luft. Und das nicht im übertragenen Sinne.

Stratus – was macht diese Variante anders?

Die Stratus-Variante ist eine genetische Mischung – ein sogenannter rekombinanter Subtyp, entstanden aus zwei früheren Linien: LF.7 und LP.8.1.2. Identifiziert wurde sie erstmals Anfang des Jahres in Südostasien, seitdem hat sie eine rasante Reise hinter sich. Mittlerweile ist sie in weiten Teilen der USA dominant – in manchen Bundesstaaten wie Texas macht sie zwei Drittel aller Fälle aus.

Symptomatisch unterscheidet sich Stratus nicht radikal von früheren Varianten. Fieber, Husten, Halsweh, Schnupfen – das übliche Programm. Was allerdings auffällt: Einige Betroffene berichten von ungewöhnlichen Beschwerden wie stechendem Brustschmerz oder einer auffälligen Erschöpfung, die selbst nach viel Schlaf nicht weicht. Einigen fällt es regelrecht schwer, wach zu bleiben – ein Warnzeichen, das Ärzte ernst nehmen.

Doch trotz ihrer starken Verbreitung zeigt Stratus bislang keine erhöhte Gefährlichkeit. Weder steigen die Todeszahlen markant, noch sind die Hospitalisierungen auf breiter Front explodiert. Der Grund? Eine hohe Grundimmunität in der Bevölkerung – durch Impfungen, durchgemachte Infektionen oder beides.

Test positiv – was jetzt?

Trotzdem gilt: Wer Symptome hat, sollte sich testen. Und wer positiv ist, sollte zuhause bleiben. Die Regeln mögen bekannt sein – aber in Zeiten sinkender Aufmerksamkeit braucht es eben manchmal eine Erinnerung. Denn auch wenn Stratus nicht automatisch für schwere Verläufe sorgt, bleibt das Risiko real – vor allem für ältere Menschen, Vorerkrankte und Kleinkinder.

Auffällig: Gerade in dieser jüngeren Altersgruppe steigen die Notaufnahmen derzeit besonders stark an. Viele Kinderärzte berichten von vollen Wartezimmern – ein Bild, das man eher vom Winter kennt.

Ein Herbst mit Fragezeichen

Die große Unbekannte bleibt der Herbst. Denn mit der Rückkehr in Schulen, Büros und Universitäten steigen erfahrungsgemäß auch die Übertragungsraten. Und dann? Kommt Stratus richtig in Fahrt – oder ebbt die Welle wieder ab?

Die Impfstoffhersteller arbeiten jedenfalls auf Hochtouren. Für den Herbst werden neue Formulierungen erwartet, die gezielter gegen die aktuellen Stämme wirken – auch gegen Verwandte von Stratus. Wer bislang keinen Booster hatte oder bei wem die letzte Impfung länger zurückliegt, sollte das im Blick behalten.

Denn klar ist: Je besser der individuelle Schutz, desto geringer die Gefahr, sich anzustecken – oder andere zu infizieren.

Weniger Drama, mehr Disziplin

Was bleibt, ist eine Mischung aus Déjà-vu und neuer Realität. COVID ist nicht verschwunden, und es wird wohl auch nicht mehr verschwinden. Doch die Wellen kommen jetzt leiser – oft ohne den großen Knall, dafür mit stetigem Druck. Und sie verlangen eine neue Form der Aufmerksamkeit: Nicht Panik, sondern Pragmatismus. Nicht Alarmismus, sondern Alltagsschutz.

Ein bisschen so wie der Griff zum Regenschirm, wenn der Himmel sich verdunkelt.

Denn auch wenn die Wolke „Stratus“ sich wieder verzieht – der nächste Schauer kommt bestimmt.

Autor: Andreas M. Brucker

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