Die Natur zeigt wieder ihre ungebändigte Kraft: Während die Sturmfront Eowyn bereits Irland und das Vereinigte Königreich in ihren Bann gezogen hat, rückt sie nun unaufhaltsam auf Frankreich zu. Schon heute, am Freitag, den 24. Januar, sind die ersten Auswirkungen entlang der französischen Küsten zu spüren – und die Lage dürfte sich im Laufe des Abends verschärfen. Besonders betroffen: das bretonische Département Morbihan, das ab 18 Uhr unter orangefarbener Wetterwarnung wegen starker Regenfälle und Überschwemmungen steht.
Doch was macht diesen Sturm so besonders? Wie bereiten sich die Menschen vor? Und wie hängen solche Extremwetterereignisse mit dem Klimawandel zusammen? Zeit, genauer hinzusehen.
Stürmische Vorboten an den Küsten
Wer heute einen Spaziergang an der Côte d’Opale plant, sollte sich festhalten – wortwörtlich. Böen von bis zu 100 km/h fegen bereits über die Strände, die Wellen türmen sich auf, und die sonst ruhige Meereskulisse hat sich in ein tosendes Spektakel verwandelt. Doch das ist nur der Anfang. Eowyn entfaltet ihre volle Wucht im Laufe des Abends, insbesondere in der Bretagne.
Im Morbihan, wo die orangen Wetterwarnungen gelten, bereiten sich die Menschen bereits auf mögliche Überschwemmungen vor. Die Erinnerungen an vergangene Stürme sind hier noch lebendig – und schmerzen.
„Die letzte Flut kam bis hier“ – Bewohner in Sorge
In Josselin, einer kleinen Gemeinde mit 2.500 Einwohnern im Herzen des Morbihan, kann Bertrand Boulvais kaum glauben, dass es schon wieder so weit ist. „Die letzte Überschwemmung war 2014“, erzählt er, während er die Hand 20 Zentimeter über seinen Türrahmen hebt, um zu zeigen, wie hoch das Wasser damals stand. Damals war es glimpflich ausgegangen, aber die Sorge ist geblieben.
Noch frischer sind die Erinnerungen an 2023, als die Stürme Céline und Ciaran Teile von Vannes unter Wasser setzten. An einigen Orten stieg das Wasser auf bis zu 80 Zentimeter. Die Schäden waren enorm – materielle Verluste, emotionale Belastung, Tage der Aufräumarbeiten. Es sind Bilder wie diese, die jetzt in den Köpfen der Bewohner schwirren.
Die Wissenschaft hinter dem Sturm
Aber was steckt hinter der Wucht von Eowyn? Hier kommt die Meteorologie ins Spiel – genauer gesagt das Phänomen der „Bombogenese“. Klingt wie ein Begriff aus einem Actionfilm, oder? Tatsächlich beschreibt es den explosiven Druckabfall innerhalb eines Sturmsystems, der durch einen extremen Temperaturunterschied ausgelöst wird.
Im Fall von Eowyn prallen kalte Luftmassen aus den USA auf warme Luft vom Atlantik. Das Ergebnis: ein intensives Tiefdruckgebiet, das sich rasend schnell verstärkt. In Irland und Großbritannien hat dies bereits zu rekordverdächtigen Windgeschwindigkeiten geführt. Frankreich bleibt zwar von den schlimmsten Böen verschont, doch die heftigen Regenfälle und die damit verbundenen Überschwemmungen könnten auch hier verheerend sein.
Extremwetter und Klimawandel – ein gefährliches Duo
An dieser Stelle drängt sich die entscheidende Frage auf: Wie viel davon ist „normales“ Wetter, und wie viel davon hat mit dem Klimawandel zu tun?
Fakt ist, dass Extremwetterereignisse wie Stürme, Hitzewellen oder Starkregen in den letzten Jahren sowohl häufiger als auch intensiver geworden sind. Das ist kein Zufall. Der Klimawandel sorgt dafür, dass sich die Meere erwärmen und mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre gespeichert wird. Und was passiert, wenn diese gespeicherte Energie freigesetzt wird? Genau – stärkere Stürme, intensivere Niederschläge und größere Überschwemmungen.
Ein Beispiel: Laut dem Weltklimarat (IPCC) haben sich extreme Niederschläge in Westeuropa seit den 1950er Jahren deutlich verstärkt – eine Entwicklung, die eng mit der globalen Erwärmung zusammenhängt. Die Atmosphäre agiert wie ein überladener Schwamm: Mehr Wärme bedeutet mehr Wasserdampf, und mehr Wasserdampf bedeutet heftigere Regenfälle.
Hinzu kommt, dass der steigende Meeresspiegel die Auswirkungen solcher Stürme verstärkt. Küstenregionen wie das Morbihan stehen gleich doppelt unter Druck – von oben durch den Regen und von unten durch die Fluten des Meeres.
Vorbereitung ist alles – aber wie?
Was also tun? Bertrand Boulvais und viele andere im Morbihan haben ihre Häuser bereits mit Sandsäcken gesichert. In den besonders gefährdeten Regionen stehen Notfallpläne bereit. Aber reicht das?
Die Antwort ist ernüchternd: Nein. Lokale Maßnahmen sind wichtig, aber sie stoßen schnell an ihre Grenzen, wenn es um systemische Probleme wie den Klimawandel geht. Es braucht eine umfassendere Strategie – nicht nur in Frankreich, sondern weltweit.
Dazu gehört erstens der Ausbau von nachhaltiger Infrastruktur, etwa durch natürliche Überschwemmungsgebiete, die wie Schwämme wirken und das Wasser aufnehmen. Zweitens müssen Investitionen in Frühwarnsysteme und Katastrophenschutz Priorität haben. Drittens – und das ist entscheidend – müssen wir den CO₂-Ausstoß drastisch reduzieren, um die globale Erwärmung zu bremsen.
Doch Hand aufs Herz: Wie oft haben wir das schon gehört? Und wie oft haben wir uns gefragt, warum sich so wenig ändert?
Die menschliche Seite der Krise
Was bei all den wissenschaftlichen und politischen Debatten oft untergeht, ist die menschliche Dimension. Die Menschen in Josselin oder Vannes sind keine Statistiken. Es sind Familien, die ihre Häuser verlieren. Es sind Kinder, die nachts weinen, weil sie Angst vor der nächsten Flut haben.
Dabei geht es nicht nur um die Bretagne. Überall auf der Welt, von Bangladesch bis Florida, sind es vor allem die Schwächsten, die am meisten leiden. Der Klimawandel ist nicht nur eine ökologische Krise, sondern auch eine soziale – eine Krise der Gerechtigkeit.
Hoffnung trotz Sturmwolken
Doch so düster die Lage auch erscheint, es gibt Grund zur Hoffnung. Immer mehr Menschen erkennen, dass Veränderungen notwendig sind – und möglich. Städte wie Rotterdam zeigen, wie durchdachte Stadtplanung Überschwemmungen verhindern kann. Gemeinden in Kanada pflanzen Bäume und schaffen Grünflächen, um die Wassermassen bei Starkregen besser zu bewältigen.
Es mag nach kleinen Schritten klingen, doch sie sind der Anfang von etwas Größerem. Wenn wir handeln – entschlossen und gemeinsam –, können wir das Schlimmste verhindern. Die Frage ist nicht, ob das möglich ist. Die Frage ist, ob wir bereit sind, es wirklich zu wollen.
Quellen:
- IPCC (2021). „Sixth Assessment Report: The Physical Science Basis.“
- Météo France (2025). „Vigilance météorologique : Tempête Eowyn.“
- Frankreich 3 Bretagne (2023). Berichte zu Stürmen Céline und Ciaran.
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