25 Grad im Schatten, Sonnenschein ohne Ende und Caféterrassen, die an einen Nachmittag im Mai erinnern – doch der Kalender zeigt: es ist November. Wer dieser Tage durch die Straßen von Biarritz, Bordeaux oder Tarbes schlendert, reibt sich verwundert die Augen. Was steckt hinter dieser außergewöhnlichen Wetterlage im Südwesten Frankreichs?
Die Antwort ist vielschichtig – und sie zeigt, wie stark regionale Wetterphänomene und globale Klimatrends inzwischen ineinandergreifen.
Ein Hauch Karibik über dem Atlantik
Ein gewaltiges Hochdruckgebiet hat sich vor der Küste Europas festgesetzt. Was es tut? Es blockiert die üblichen Westwind-Störungen, die im Herbst Regen und Abkühlung bringen. Stattdessen öffnet sich der Weg für einen Luftstrom direkt aus südwestlicher Richtung – subtropische Luftmasse inklusive.
Verstärkt wird dieser Effekt durch die Überreste eines ehemaligen Hurrikans – Melissa –, der sich über dem Atlantik in eine sogenannte post-tropische Depression verwandelt hat. Klingt dramatisch, ist aber vor allem eines: ein Motor für die Umverteilung von Luftmassen. Und dieser Motor schiebt warme Luft Richtung Frankreich.
Ein ideales Rezept für ein November-Hoch wie aus dem Wetterlehrbuch – nur eben zehn Grad zu warm.
Wenn der Föhn durch die Täler zieht
Doch das allein erklärt noch nicht, warum es in bestimmten Regionen sogar bis zu 26 Grad warm wurde. Hier kommt ein altbekannter, aber oft übersehener Akteur ins Spiel: der Föhn.
Wenn Luftmassen von den Pyrenäen herabströmen, erwärmen sie sich durch Kompression. Das Resultat: In Tälern und auf der windabgewandten Seite der Berge steigen die Temperaturen sprunghaft an. Dieses Phänomen kennt man vom Alpenraum – aber auch in Südwestfrankreich sorgt es für lokale „Hitzespitzen“ mitten im Herbst.
Man könnte sagen: Die Berge machen sich den Wind zu eigen – und schenken der Region ein paar spätsommerliche Tage.
Nicht nur mild – sondern rekordverdächtig
Dass es im November mal angenehm mild ist, kennt man. Doch was sich derzeit abspielt, geht weit über das hinaus.
Meteorologen melden bis zu zehn Grad über dem langjährigen Mittel. In Biarritz wurden 26 Grad gemessen, in Tarbes 24, in Bordeaux immerhin noch 22 Grad. Werte, die sonst eher im September üblich sind – nicht wenige sprechen von einem „kleinen Sommer mitten im Herbst“.
Die Zahlen belegen: Es handelt sich nicht um eine Laune der Natur, sondern um eine handfeste Anomalie. Und die ist meteorologisch wie klimatologisch von Bedeutung.
Zwischen Wetter und Klima: Wo liegt die Grenze?
Natürlich ist das aktuelle Hoch kein dauerhafter Klimawandel-Beweis. Wetter bleibt Wetter – mit seinen Launen, Schwankungen und Ausreißern.
Doch es wäre naiv, solche Extreme isoliert zu betrachten. Der Klimawandel schafft die Bühne, auf der solche Episoden häufiger auftreten. Warme Luftmassen treffen schneller ein, bleiben länger und verstärken sich durch Rückkopplungen. Das Ergebnis? Ein immer häufigerer Blick aufs Thermometer – mit hochgezogenen Augenbrauen.
Denn auch wenn der Begriff „Sommer im Herbst“ verlockend klingt – das Ungleichgewicht dahinter ist alles andere als romantisch.
Ein kurzer Sonnenrausch – und dann?
Wer sich nun fragt, ob der milde November der Vorbote eines warmen Winters ist, muss enttäuscht werden. Die Modelle zeigen bereits: Diese Wärmephase ist nur ein kurzes Intermezzo.
Ab dem kommenden Wochenende zieht wieder feuchtere Luft über die Region, Wolken nehmen zu, Regen kündigt sich an – und die Temperaturen sinken auf saisonübliche Werte. Kurzum: Der Herbst meldet sich zurück.
Ein kleiner Trost bleibt: Wer den Sonnenschein der letzten Tage genutzt hat, hat ein Geschenk bekommen – eines, das nicht jedes Jahr kommt.
Zwischen Leichtigkeit und Ernst: Was lernen wir daraus?
Dieses ungewöhnliche Novemberwetter zeigt, wie fragil die Balance geworden ist. Zwischen atlantischem Hochdruck, subtropischer Wärme und alpinem Föhn entstehen neue Spielräume für Temperaturrekorde – auch zu Zeiten, in denen früher schon der Kamin knisterte.
Die Lehre daraus? Solche Episoden sollten uns nicht nur erfreuen, sondern auch wachrütteln.
Denn wenn sich der Herbst wie Frühling anfühlt – was macht dann der Winter?
Autor: Andreas M. Brucker
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