Ein dunkler Ozeanboden, viele Kilometer unter der Wasseroberfläche. Keine Sonne, kaum bekannte Lebensformen – aber ein Schatz, der Staaten und Konzerne elektrisiert: Mangan, Kobalt, Nickel, seltene Erden. Ausgerechnet hier will Donald Trump den nächsten Rohstoffboom starten. Doch weltweit wächst der Widerstand.
„Wir wären komplett verrückt, wenn wir anfangen würden, irgendwo zu bohren, das wir überhaupt nicht kennen“, wetterte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf der UN-Ozeankonferenz in Nizza. Er spielt damit auf die Entscheidung von Donald Trump an, die großflächige Ausbeutung von Tiefseemineralien per Dekret zu erlauben – ein Alleingang, der weltweit Kritik provoziert.
Trump – der große Abwesende in Nizza – hat sich erneut den Cowboyhut aufgesetzt. Mit seiner Entscheidung, das US-Unternehmen The Metal Company bei der Ausbeutung der Clarion-Clipperton-Bruchzone im Pazifik zu unterstützen, entfacht er eine hitzige Debatte: Gehört der Meeresboden irgendwelchen Staaten? Oder der gesamten Menschheit?
„Die Tiefsee darf kein Wilder Westen werden“, warnte UN-Generalsekretär António Guterres. Auch Surangel Whipps Jr., Präsident der pazifischen Inselnation Palau, legte nach: „Kein einzelnes Land darf entscheiden, was mit einem Gut passiert, das allen gehört.“
Derweil arbeiten Aktivisten, Wissenschaftler und einige Staaten an einem Moratorium – einer Art weltweiten Pausenknopf. Die Idee kam 2022 in Lissabon auf: Kleinere Inselstaaten schlugen vor, die Ausbeutung der Tiefsee vorerst zu verbieten, bis man besser wisse, womit man es dort eigentlich zu tun hat.
Denn: Nur etwa 2 Prozent des Meeresbodens sind wissenschaftlich erfasst. Der Rest ist eine riesige, dunkle Unbekannte.
Mittlerweile unterstützen 37 Staaten das Moratorium – Tendenz steigend. Auch in Nizza kamen vier neue Unterstützer hinzu. Donald Trumps Pro-Bergbau-Dekret hat dabei eher zur Mobilisierung beigetragen. „Er hat viele wachgerüttelt“, sagt Emma Wilson von der Deep Sea Conservation Coalition, einem Bündnis von 150 Umweltorganisationen.
Und wie ist die rechtliche Lage?
So einfach ist es gar nicht, in der Tiefsee einfach draufloszubohren. Außerhalb der nationalen Gewässer entscheidet nämlich die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA), eine UN-Organisation mit 169 Mitgliedstaaten. Genau dort tobt ein stiller Kampf: Einige Staaten wollen einen verbindlichen Tiefsee-Bergbau-Kodex erarbeiten, andere drängen auf Tempo und Profit.
Im Juli geht es weiter – dann trifft sich die ISA in Kingston, Jamaika. Die Gegner der Tiefsee-Ausbeutung wollen dort eine Art politische Abkürzung nehmen. Ihr Ziel: aus der politischen Haltung für ein Moratorium ein echtes, rechtlich bindendes Instrument machen.
Klingt kompliziert? Ist es auch. Aber notwendig.
Doch selbst wenn Trump drängelt – wirtschaftlich lohnend ist der Tiefseebergbau derzeit kaum. Die Technik ist teuer, die Bedingungen widrig, die Ausbeute unsicher. „Wer investiert in ein Abenteuer mit hohem Risiko und fragwürdigem Nutzen, wenn man viele dieser Rohstoffe noch an Land abbauen kann?“, fragt Meeresrechtsexperte Pradeep Singh.
Immer mehr große Banken wie BNP Paribas oder Crédit Agricole haben bereits klargestellt: Kein Cent für Tiefseebergbau. Auch Tech-Riesen wie Apple und Google sowie Autohersteller wie Renault, Volvo und BMW schließen den Einsatz solcher Rohstoffe aus.
Ein mächtiges Zeichen. Denn: Wenn keiner die Produkte kauft – wer soll dann bohren?
Es bleibt ein Rennen gegen die Zeit. Zwischen moralischem Kompass und wirtschaftlichem Kalkül. Zwischen globalem Gemeinwohl und nationalem Egoismus.
Noch ist nichts entschieden.
Doch die Welt hört genau hin, wenn kleine Inselstaaten den Mächtigen die Stirn bieten und sagen: „Nicht mit uns!“
Und man fragt sich: Wer setzt sich am Ende durch – die Stimme der Vernunft oder der Lärm des Bohrmeißels?
Von Andreas M. Brucker
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