Tag & Nacht




Ein falscher Schritt, ein harmlos wirkender Schneefleck – und plötzlich ist alles anders. Die Tournette, dieser imposante Riese über dem türkisfarbenen Lac d’Annecy, wurde am Sonntag, dem 18. Mai 2025, zum Schauplatz eines erschütternden Unglücks. Zwei junge Bergwanderer im Alter von 23 und 28 Jahren verloren ihr Leben, nachdem sie auf einem hartgefrorenen Altschneefeld bei etwa 1.800 Metern Höhe ausrutschten und abstürzten.

Gesperrt – aus gutem Grund

Didier Sarda, der Bürgermeister von Talloires-Montmin, zog umgehend Konsequenzen. Mit einem klaren Ziel: weitere Tragödien verhindern. Ein Gemeindebeschluss verbietet seither jeglichen Zugang zum Gipfelbereich oberhalb von 1.700 Metern – und das solange, bis die Schneefelder vollständig geschmolzen sind. Eine drastische Maßnahme? Vielleicht. Aber auch eine, die auf bitterer Erfahrung beruht.

Frühling unten – Winter oben

Wer dieser Tage an den Ufern des Lac d’Annecy entlangspaziert, wähnt sich bereits im Frühsommer. Doch die Tournette erzählt eine andere Geschichte. Ihr Gipfel auf 2.351 Metern trotzt dem Frühling mit eisigen Überresten des Winters. Altschnee – sogenannter Firn – bedeckt Teile der Wege, macht sie heimtückisch glatt. Genau das wurde den beiden erfahrenen Bergwanderern zum Verhängnis.

Und sie waren nicht allein. Auch zwei weitere Wanderinnen gerieten auf Schneefelder, rutschten ab – mit viel Glück jedoch wurden nsie nur leicht verletzt. Der Einsatz von Rettungskräften in solch unzugänglichem Gelände ist riskant, zeitaufwendig – und oft eine Frage von Minuten.

Sicherheit geht vor Leidenschaft

Die Entscheidung des Bürgermeisters mag für viele ein Dämpfer sein. Gerade für all jene, die die Berge nicht nur als Kulisse, sondern als Lebenselement sehen. Doch: Die Natur diktiert die Regeln. Wer sie ignoriert, riskiert mehr als nur nasse Füße.

Natürlich – der Reiz des Gipfels, der Blick, das Gefühl, ganz oben zu sein, ist gewaltig. Doch lohnt sich das Risiko, wenn selbst erfahrene Gipfelstürmer keinen Halt mehr finden?

Mit Eispickel und Verstand

Die Präfektur Haute-Savoie mahnt zur Vorsicht. Wer sich dennoch in höhere Lagen wagt, sollte nicht nur warme Kleidung, sondern auch alpine Ausrüstung dabeihaben: Steigeisen, Pickel, gute Karten, GPS – und vor allem: die Bereitschaft umzukehren, wenn’s kritisch wird.

Denn die Tournette ist zwar wunderschön – aber kein Freizeitpark. Es gibt keine Geländer, keine Sicherheitsnetze. Jeder Schritt zählt, jeder Fehler kann das letzte Kapitel sein.

Neuer Blick auf alte Wege

Doch jede Sperrung birgt auch eine Chance. Die Region rund um Annecy ist ein Paradies für Wanderer – selbst in tieferen Lagen. Warum nicht neue Pfade entdecken, andere Ausblicke genießen? Vielleicht ist es gerade jetzt der Moment, die gewohnten Routen zu verlassen und den Reiz des Unbekannten zu suchen.

Wie wäre es mit einem Picknick am Wasserfall d’Angon oder einer gemütlichen Runde durch das Plateau des Glières? Wer sagt denn, dass Abenteuer erst auf über 2.000 Metern beginnen?

Die Tournette bleibt. Stolz, still, schneebedeckt. Ihre Schönheit ist unbestritten – doch sie verlangt Respekt. Die Verbote sind kein Affront gegen Abenteuerlust, sondern ein Ruf zur Vernunft.

Wer sagt denn, dass Sicherheit und Leidenschaft sich ausschließen müssen?

Von C. Hatty

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