Ein neuer Rückschlag im ohnehin belasteten Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union: US-Präsident Donald Trump wies das Angebot der EU zurück, sämtliche Zölle auf Industriegüter beidseitig abzuschaffen – ein Vorschlag, der als Versuch galt, die Handelsbeziehungen zu entkrampfen. Mit seiner kategorischen Ablehnung der „Null-für-Null“-Initiative unterstrich Trump einmal mehr seine protektionistische Handelspolitik und verschärfte damit die transatlantische Spannung weiter.
Das Angebot kam von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie hatte in einem Interview mit Politico Europe die Bereitschaft signalisiert, alle Zölle auf Industriegüter auf beiden Seiten des Atlantiks abzuschaffen – vorausgesetzt, die USA seien bereit, sich auf einen fairen Rahmen für Industriegüter zu einigen. Trumps Antwort darauf fiel knapp aus: „Nein, bin ich nicht“, sagte er auf eine entsprechende Nachfrage in Washington. Seine Forderung: Europa solle mehr Energie aus den USA importieren, insbesondere Flüssiggas, um das Handelsdefizit auszugleichen.
Eskalation statt Entspannung
Diese Episode ist nur ein weiteres Kapitel in der Geschichte wachsender wirtschaftspolitischer Dissonanzen. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte Trump Strafzölle auf Stahl und Aluminium eingeführt, die sich insbesondere gegen EU-Exporte richteten. Die damalige Begründung lautete nationale Sicherheitsinteressen – ein Argument, das in Europa auf breite Ablehnung stieß. Auch jetzt scheint der Präsident nicht auf eine Wiederbelebung multilateraler Handelsgespräche zu setzen, sondern verfolgt gezielt einseitige Vorteile.
Der EU bleibt unterdessen kaum eine andere Wahl, als zwischen prinzipiengeleiteter Verteidigung gemeinsamer Marktinteressen und pragmatischer Deeskalation zu lavieren. Von der Leyen zeigte sich enttäuscht über Trumps Zurückweisung, betonte aber, dass die Europäische Union gesprächsbereit bleibe. Gleichzeitig warnte sie, man sei vorbereitet, „alle Instrumente zu nutzen“, um auf einseitige Maßnahmen Washingtons zu reagieren.
Strategische Interessen hinter der Zollpolitik
Trumps Argument, das US-Handelsdefizit mit der EU durch verstärkte Energieexporte auszugleichen, ist ökonomisch nicht unplausibel, greift aber strukturell zu kurz. Während Europa in den letzten Jahren tatsächlich vermehrt amerikanisches Flüssiggas (LNG) importiert hat – nicht zuletzt als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – sind Energieimporte kein vollständiger Ersatz für eine ausgewogene Handelsbilanz in der Breite der industriellen Wertschöpfung.
Hinzu kommt: Die Forderung nach erhöhter Energieabnahme ist eingebettet in eine geopolitische Agenda. Die USA drängen Europa nicht nur aus wirtschaftlichem Interesse zur Diversifizierung weg von russischer, – aber auch erneuerbarer Energie -, sondern auch zur langfristigen Bindung an den US-Markt. Das wiederum könnte europäischen Industriezweigen wie der Chemie- oder Automobilbranche längerfristig Wettbewerbsnachteile bescheren, da Energiekosten maßgeblich über Standortentscheidungen mitentscheiden.
Wirtschaftliche und politische Auswirkungen
Die Reaktion der Märkte auf die jüngsten Spannungen fiel unmittelbar und deutlich aus: Leitindizes in Europa und den USA verzeichneten Kursverluste, besonders betroffen waren exportorientierte Branchen. Vertreter der deutschen und französischen Industrie warnten vor einer Eskalation, die in einem „kalten Handelskrieg“ enden könnte. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einem „verheerenden Signal für die globalen Lieferketten“.
Auch innerhalb der USA stößt Trumps Vorgehen auf Widerstand. Führende Wirtschaftspolitiker beider Parteien warnten vor einer Belastung der heimischen Unternehmen, die durch Gegenzölle der EU auf wichtige US-Exporte – etwa Agrarprodukte, Maschinen oder Dienstleistungen – getroffen werden könnten. Schon jetzt zeigen sich Verwerfungen in Sektoren wie der Luftfahrtindustrie oder dem Maschinenbau, die stark vom EU-Markt abhängig sind.
Perspektiven einer strukturellen Einigung
Dass die EU überhaupt das Null-für-Null-Angebot unterbreitet hat, ist Teil einer langfristigeren Strategie zur Reform des transatlantischen Handelsrahmens. Bereits 2018 wurde unter der damaligen EU-Kommission ein ähnlicher Vorschlag gemacht, der jedoch ebenfalls auf taube Ohren in Washington stieß. Nun könnte die aktuelle Eskalation als Hebel dienen, um innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) neue Regelwerke für Industriegüter zu etablieren, die auch China stärker einbinden.
Die große Herausforderung bleibt dabei, wie ein solcher Rahmen aussehen könnte, ohne in protektionistische Muster zurückzufallen. Der europäische Binnenmarkt basiert auf klaren Standards für Umwelt- und Verbraucherschutz – Prinzipien, die nicht ohne Weiteres auf bilateraler Ebene mit den USA verhandelbar sind. Gleichzeitig ist Europa auf stabile außenwirtschaftliche Beziehungen angewiesen, um seine industrielle Wettbewerbsfähigkeit in einer zunehmend multipolaren Weltordnung zu bewahren.
Der weitere Verlauf des Konflikts hängt stark von der politischen Großwetterlage ab sowohl in den USA, als auch in Europa, das vor einem schwierigen Reformjahr steht. Ein Kurswechsel in Washington könnte neue Spielräume eröffnen, ist derzeit jedoch nicht in Sicht.
Autor: P. Tiko
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