Was tun, wenn vom Himmel monatelang kein Wasser fällt? Wenn Felder staubtrocken bleiben und das Gras unter den Füßen knirscht wie Schnee im Winter? Im Norden Frankreichs, besonders im Département Nord, erleben Landwirte gerade genau das: eine Dürre, wie sie seit über 60 Jahren nicht mehr aufgetreten ist. Und das im Frühjahr, jener Zeit, in der eigentlich Wachstum angesagt ist – nicht Überlebenskampf.
Kein Regen, kein Aufatmen
Seit Februar hat es dort kaum geregnet. Die Regenmenge, die sonst in einem Monat fällt, verteilte sich auf ein ganzes Quartal. Dazu wehte ein trockener Nordostwind, der die letzte Feuchtigkeit aus den oberen Bodenschichten heraustrocknete. Die Folge: Böden, hart wie Beton – und Pflanzen, die nach Wasser lechzen.
Manche Samen keimen erst gar nicht. Andere Pflanzen reagieren mit einem vorzeitigen Notfallprogramm: Sie schieben ihre Ähren viel zu früh aus – ein Versuch, sich irgendwie noch fortzupflanzen, bevor es zu spät ist. Das Ergebnis: Erträge brechen ein, Einkommen schrumpfen. Ein betroffener Landwirt bringt es auf den Punkt: „Es wird eine Ernte geben, ja – aber eine schwache. Zehn Prozent Verlust? Das ist noch optimistisch.“
Wenn der Boden zum Gegner wird
Getreide, Mais, Raps, Gerste – keine der typischen Feldfrüchte kommt ungeschoren davon. Besonders hart trifft es die Frühjahrssaaten. Wo keine Feuchtigkeit im Boden ist, gibt es kein Wachstum. Punkt. Die Pflanzen, die es schaffen, sind oft zu schwach, zu klein oder einfach nicht ergiebig genug. Man könnte meinen, sie wehren sich nicht gegen die Dürre – sie kapitulieren.
Und der Mensch? Er versucht gegenzusteuern.
Wasserschlachten – aber nicht jeder hat Munition
Irrigation, also künstliche Bewässerung, ist aktuell die Rettungsleine für viele Bauern. Doch wie viele Schläuche kann man gleichzeitig verlegen, wenn das Wasser knapper wird? Wer zahlt für die Technik, die Pumpen, den Strom? Und was macht man in Regionen, in denen kein Zugang zu ausreichend Wasser besteht? Die Wahrheit ist unbequem: Viele Betriebe können sich flächendeckende Bewässerung schlicht nicht leisten. Für manche ist sie ohnehin keine Option – etwa wegen fehlender Infrastruktur. Und dann wäre da noch die ökologische Seite: Wenn jeder das Grundwasser anzapft, was bleibt dann für die Natur – und für morgen?
Europa schwitzt mit
Frankreich ist kein Einzelfall. Auch Belgien, die Niederlande, Teile Deutschlands und Großbritannien erleben einen Frühling, der eher an einen ausgedörrten August erinnert. Kaum Regen, heiße Winde, niedrige Luftfeuchtigkeit. Das Muster ist eindeutig – und beunruhigend. Europa bekommt zu spüren, was der Klimawandel in Bewegung setzt: Extremwetterlagen, die nicht mehr die Ausnahme, sondern die neue Normalität sind. Und das nicht in zehn Jahren – sondern jetzt.
Ist das noch Wetter oder schon Krise?
Solche Dürreperioden häufen sich. Und mit jeder Wiederholung wächst der Druck auf die Landwirtschaft. Muss sich die Art und Weise, wie wir anbauen, grundsätzlich ändern?
Die Antwort lautet: ja. Aber wie genau?
Eine Antwort darauf liegt in der Vielfalt. Monokulturen gelten schon lange als Risikofaktor – und Dürre verstärkt diese Schwächen. Mehr Vielfalt auf den Feldern, besser angepasste Sorten, Techniken, die Wasser sparen – all das gehört zur Zukunftsstrategie.
Ein anderer Hebel: besseres Wassermanagement. Wo fließt das Regenwasser hin? Wie kann man es speichern, effizient verteilen? Und was ist mit der Forschung? Neue Methoden zur Bodenpflege, die das Wasser länger im Acker halten – das wird überlebenswichtig.
Zwischen Frust und Hoffnung
Manchmal fühlt es sich an wie ein Rennen gegen die Zeit – oder gegen einen Gegner, der immer einen Schritt voraus ist. Doch Resignation hilft nicht weiter. Die Landwirtschaft ist wandelbar – das hat sie in ihrer Geschichte immer wieder bewiesen. Und der technische Fortschritt eröffnet neue Möglichkeiten: Satelliten, Sensoren, präzisere Wettermodelle helfen, besser zu planen und schneller zu reagieren.
Aber all das funktioniert nur, wenn die Politik mitzieht. Wenn finanzielle Unterstützung dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Wenn nachhaltige Strategien nicht bloß auf dem Papier stehen.
Denn was steht auf dem Spiel? Nicht weniger als unsere Ernährungssicherheit – und die Existenz vieler Familienbetriebe, die seit Generationen für unser Brot, unser Gemüse, unser tägliches Essen sorgen.
Und nun?
Wie soll’s weitergehen? Die Dürre im Norden Frankreichs ist kein regionales Problem, sondern ein Symptom eines kränkelnden Klimasystems. Und wer jetzt noch glaubt, man könne einfach abwarten, bis „es wieder normal wird“, sollte dringend nach draußen schauen – oder besser: den Boden unter seinen Füßen prüfen.
Denn dieser Boden spricht Bände. Er zeigt uns, was passiert, wenn das Gleichgewicht kippt.
Autor: Andreas M. Brucker
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!