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In Frankreich droht eine grosse Dürre. Bereits vor Beginn des Sommers gelten in fünfzehn Departements Wasserbeschränkungen. Die Landwirte sind sich bereits jetzt sicher, dass sich die aktuelle Trockenheits-Periode auf ihre Ernten auswirken wird.

Derzeit will noch niemand von einer Katastrophe sprechen. Aber alle Anzeichen für eine Rekordtrockenheit sind vorhanden. Die FNSEA, die größte landwirtschaftliche Gewerkschaft, veröffentlichte am Dienstag, dem 10. Mai, eine alarmierende warnung: „Keine Region ist verschont geblieben. Mit jedem Tag, der vergeht, sehen wir, dass die Böden Risse bekommen. Gestern war ich bei einem Landwirt im Departement Puy-de-Dôme, der seinen Weizen bewässern muss. Wenn es so weitergeht, werden diejenigen, die die Möglichkeit haben zu bewässern, davonkommen, die anderen werden dramatische Ertragseinbußen haben“, warnte Christiane Lambert, FNSEA-Präsidentin, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. „Seit Oktober/November gibt es enorme Dürren in Portugal und Spanien, die sich über Okzitanien und die Provence entlang des Rhonetals fortsetzen. Ungewöhnlich für diese Jahreszeit ist, dass die Trockenheit auch Regionen nördlich der Loire betrifft“, fuhr sie fort.

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Die gleiche Notlage stellt auch das Landwirtschaftsministerium fest. „Bei Kulturen wie Weizen oder Gerste, die sich heute in der Entwicklungsphase befinden, treten allmählich Situationen auf, die die Erträge beeinträchtigen werden“, heißt es aus dem Ministerium. Das trockene und warme Wetter Ende April und Anfang Mai könnte, wenn es anhält, auch Frühjahrskulturen wie Sonnenblumen, Rüben und Mais und damit für die Ernährung von Nutztieren unerlässlichen Futtermittel beeinträchtigen.

Die Risiken gehen aber weit über Verluste in der Landwirtschaft hinaus. „Neben der Landwirtschaft hat die Dürre auch erhebliche Auswirkungen auf viele andere Bereiche, z. B. auf Gebäude“, erklärt die Hydrologin Emma Haziza. Immer mehr Häuser werden durch ausgetrocknete Böden, die sich unkontrolliert verändern, beschädigt und sind vom Einsturz bedroht. Das ist ein neues Phänomen in Frankreich und diese art von Schäden können auf Dauer viel teurer als Überschwemmungen sein und langfristig erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Darüber hinaus hat die Dürre auch gefährliche Auswirkungen auf die Energieproduktion: Kernkraftwerke benötigen durchgehend große Mengen an Wasser, um die Reaktoren zu kühlen.

Dürre ist die erste sichtbare Folge des Klimawandels
Schuld an den oben beschriebenen Problemen sind die höheren Temperaturen, die im Frühjahr gemessen wurden, und ein April mit einem Niederschlagsdefizit von 25%. Für Météo-France ist diese „Hitzeepisode“ „bemerkenswert aufgrund ihrer Frühzeitigkeit, ihrer Dauer und ihrer geografischen Ausdehnung. Die Trockenheit lässt sich jedoch vor allem durch die sehr geringen Niederschläge im vergangenen Winter erklären. An sich ist eine solche Trockenheitsepisode zwar außergewöhnlich, aber nicht wirklich neu. Neu ist jedoch, dass es in allen vier Wintermonaten zu wenig geregnet hat. In Kombination mit den für die Jahreszeit hohen Temperaturen konnten sich die Grundwasserspeicher nicht füllen. Dies führt sehr schnell zu einer kritischen Phase, wenn man bedenkt, dass der Sommer noch vor uns liegt.

Hydrologen sind sich einig: Der Regenmangel steht in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel, daran gibt es keinen Zweifel mehr. Die Dürre ist eine der ersten sichtbaren Folgen. Man stellt heute fest, dass die Folgen der Klimakrise immer schneller kommen und jedes Jahr größere Ausmaße annehmen. 2022 ist das erste Jahr, in dem Frankreich mit einer „Blitzdürre“ konfrontiert ist, einem Phänomen, das bisher nur in traditionell warmen Ländern beobachtet wurde und das den Boden und die Ernten in nur fünf Tagen austrocknet.

Nicht alle Regionen jedoch sind diesem Phänomen gleichermaßen ausgesetzt. Die Grundwasserspeicher sind in einigen Gebieten reaktiver und schaffen es leichter, sich zu füllen, während sie sich in anderen gebieten nicht füllen. So sind etwa die Regionen Provence-Alpes-Côte d’Azur, der Mittelmeerraum, der Grand-Est sowie die gesamte Region Poitou-Charentes besonders stark vom Wassermangel betroffen. Aber Wissenschaftler warnen davor, dass selbst Regionen, wie Nordfrankreich, Belgien oder Nordeuropa, die sich von der Dürre verschont glaubten, beginnen, die Auswirkungen der Erwärmung und der Trockenheit zu spüren.

Um dem Notstand entgegen zu wirken, wurden in 15 Departements bereits spezielle Regeln von den Präfekturen erlassen. Diese reichen von der Aufforderung zum Wassersparen (Wachsamkeitsstufe) über ein Verbot der Bewässerung von Gärten oder Feldern zu bestimmten Zeiten (Alarmstufe), bis zur Reduzierung der Wasserentnahme für landwirtschaftliche Zwecke um 50% oder zum vollständigen Verbot der Wasserentnahme für die Autowäsche oder die Bewässerung von Grünflächen (verstärkte Alarmstufe) gehen können.

Nach Treffen mit Wasserbehörden und Vertretern der Landwirtschaft kündigte das Landwirtschaftsministerium außerdem an, dass das im April gestartete Programm, das Landwirte bei der Bewältigung des Klimawandels unterstützen soll und ursprünglich mit 20 Millionen Euro ausgestattet war, um weitere 20 Millionen Euro aufgestockt und damit verdoppelt werden soll.

Ende April hatte die Regierung außerdem angekündigt, dass die Wasserbehörden zusätzliche 100 Millionen Euro ausgeben dürfen, um die landwirtschaftlichen Bereiche bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen, zum Beispiel durch das Anlegen von Wasserrückhaltebecken.

Es ist allerdings durchaus nicht sicher, ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Wissenschaftler stellen fest, dass wir sind inzwischen mitten im Klimawandel und seinen Folgen angekommen sind. Wir müssen unsere langfristigen Modelle überdenken, die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen neu gestalten und aus dem produktorientirten Denken der Vergangenheit aussteigen, das unter anderem zur Entwaldung und Denaturierung grosser Flächen geführt hat.


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