Hat Donald Trump mit Wladimir Putin gebrochen? In bislang ungekannt deutlicher Sprache kritisierte der US-Präsident den russischen Amtskollegen für eine massive Welle von Luftangriffen auf ukrainische Städte. Putin sei „absolut verrückt geworden“, sagte Trump – ein Satz, der eine Zäsur in einem bis dahin ungewöhnlich engen Verhältnis markiert.
Die verbalen Attacken stehen sinnbildlich für einen außenpolitischen Kurswechsel, der nicht nur in Washington, sondern auch in Moskau und Kiew aufmerksam verfolgt wird.
Ein Präsident auf Kollisionskurs
Trumps Äußerungen erfolgten wenige Stunden nach einer beispiellosen russischen Luftoffensive auf die Ukraine. Laut ukrainischen Angaben wurden 367 Raketen und Drohnen auf zivile Ziele in Städten wie Kiew, Dnipro und Lwiw abgefeuert. Die ukrainische Luftabwehr konnte über 300 Geschosse abfangen – dennoch starben mindestens zwölf Menschen, darunter mehrere Kinder. Die Angriffe gelten als die schwersten Luftangriffe seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022.
In einer spontanen Pressekonferenz vor dem Weißen Haus verurteilte Trump die Angriffe und sagte: „Ich habe immer ein sehr gutes Verhältnis zu Wladimir Putin gehabt, aber irgendetwas ist mit ihm passiert. Er ist absolut verrückt geworden. Er tötet unnötigerweise eine Menge Menschen, und ich spreche nicht nur von Soldaten.“
Diese Aussagen markieren einen scharfen Bruch mit Trumps bisheriger Rhetorik. Noch im Wahlkampf 2024 hatte er Putin als „intelligenten Verhandlungsführer“ bezeichnet und sich gegen eine Eskalationspolitik gegenüber Moskau ausgesprochen.
Von der Männerfreundschaft zur offenen Feindschaft
Das Verhältnis zwischen Trump und Putin galt lange als außergewöhnlich. In seiner ersten Amtszeit lobte Trump wiederholt Putins Führungsstärke und stellte sich offen gegen die Einschätzungen der eigenen Geheimdienste, etwa zur russischen Einflussnahme auf die US-Wahlen 2016. Beobachter sahen darin ein zentrales Element von Trumps „America First“-Strategie, die auf bilaterale Arrangements und persönliche Beziehungen setzte.
Mit Beginn seiner zweiten Amtszeit im Januar 2025 kündigte Trump zunächst an, als „neutraler Vermittler“ im Ukraine-Konflikt zu agieren, doch Moskaus jüngste Eskalation hat diese Rolle offenbar unhaltbar gemacht. Auch diplomatische Kanäle scheinen derzeit kaum noch zu funktionieren. Ein geplanter Gipfel zwischen Trump und Putin in Helsinki wurde kurzfristig abgesagt – laut US-Außenministerium „wegen veränderter Sicherheitslage“.
Trump hatte zu Beginn seiner zweiten Amtszeit angekündigt, den Ukraine-Krieg binnen 30 Tagen beenden zu wollen – notfalls durch harte wirtschaftliche Druckmittel gegen beide Seiten. Tatsächlich verfügte er im Februar 2025 einen vorübergehenden Stopp der US-Militärhilfe für die Ukraine und knüpfte weitere Unterstützung an wirtschaftliche Zugeständnisse aus Kiew, insbesondere im Rohstoffbereich.
Dieses Vorgehen führte zu einem Eklat bei einem Treffen mit Präsident Selenskyj. Seither ist das Verhältnis der beiden Staatschefs gespannt. Umso mehr überraschte Trumps aktuelle Kehrtwende, die auch Selenskyj mit einer gewissen Genugtuung kommentierte: „Endlich erkennt der Präsident der Vereinigten Staaten, mit wem wir es zu tun haben.“
Ein innenpolitisches Kalkül?
Trumps neue Härte gegenüber Putin kommt nicht von ungefähr. Seine innenpolitische Lage ist angespannt: Die Zustimmung in den Umfragen ist rückläufig, insbesondere bei unabhängigen Wählern. Die massiven Haushaltskürzungen und ein schwelender Handelskonflikt mit China haben die Märkte verunsichert. In dieser Lage könnte die scharfe Rhetorik gegenüber Russland auch als Versuch gewertet werden, sich als starker Führer zu inszenieren – ähnlich wie nach dem nordkoreanischen Raketentest 2017.
Zugleich birgt diese Strategie Risiken. Sollte Putin die Eskalation fortsetzen oder gar auf Trumps Sanktions-Drohungen mit Gegenschlägen reagieren, könnte der Präsident in einen offenen Konflikt gezogen werden – ein Szenario, das er bislang stets zu vermeiden suchte.
Eine neue außenpolitische Realität
Die außenpolitische Konstellation hat sich seit Trumps erster Amtszeit grundlegend verändert. Russland agiert aggressiver, China beobachtet aufmerksam die Reaktionen des Westens, und Europa ringt mit interner Uneinigkeit. In diesem Spannungsfeld wirkt Trumps abrupter Kurswechsel zwar entschlossen, doch auch orientierungslos. Er kündigte neue Sanktionen gegen Russland an, ließ jedoch offen, welche Maßnahmen konkret folgen sollen.
Zudem bleibt die Frage offen, ob die scharfe Rhetorik des Präsidenten von einer konsistenten Strategie begleitet wird – oder ob sie, wie so oft in seiner politischen Karriere, Ausdruck spontaner Reaktion ist. Klar ist lediglich: Das Verhältnis zwischen Trump und Putin scheint beschädigt.
Von Andreas Brucker
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