Mit einer beispiellosen Fristsetzung hat US-Präsident Donald Trump Moskau zur Beendigung des Krieges in der Ukraine aufgefordert. Russland zeigt sich irritiert – und setzt dennoch auf eine Doppelstrategie aus Härte und Gesprächsbereitschaft.
Am Montag sorgte Donald Trump mit einer drastischen Aussage für Aufsehen: Russland müsse die Kampfhandlungen in der Ukraine „innerhalb von zehn bis zwölf Tagen“ einstellen, sonst würden „weitreichende Konsequenzen“ folgen. Zwar blieb der Präsident vage, worin diese Konsequenzen bestehen könnten, doch die Botschaft war eindeutig: Die Geduld Washingtons mit dem Kreml ist am Ende. Am Dienstag reagierte Moskau offiziell – und versuchte, zwischen Entschlossenheit und Dialogbereitschaft zu lavieren.
Moskau betont Gesprächswillen – und führt den Krieg fort
„Wir haben die Erklärung von Präsident Trump zur Kenntnis genommen“, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow vor Journalistinnen und Journalisten. Gleichzeitig bekräftigte er, Russland halte an seinem „Engagement für einen Friedensprozess zur Lösung des Konflikts in der Ukraine“ fest. Dies jedoch, so Peskow, sei „unvereinbar mit einseitigen Ultimaten“.
Das Narrativ der russischen Führung bleibt damit konsistent: Die seit Februar 2022 andauernde Invasion wird weiterhin als „spezielle militärische Operation“ bezeichnet, deren Ziel es sei, russische Interessen in der Ukraine zu schützen. Trotz des amerikanischen Drucks setzte Russland in der Nacht auf Dienstag seine Raketen- und Drohnenangriffe auf ukrainische Städte fort. Nach Angaben aus Kiew wurden dabei mindestens 25 Menschen getötet – unter ihnen auch eine schwangere Frau. Rund 50 weitere Personen wurden verletzt.
Zerrüttete Beziehungen zwischen Washington und Moskau
Dass der Kreml trotz massiver militärischer Aggression von „Friedensengagement“ spricht, offenbart die Zerrissenheit der russischen Kommunikationsstrategie: Während man auf internationaler Bühne um Gesprächsformate bemüht scheint, eskaliert die Lage vor Ort weiter. Dmitri Peskow beklagte zudem eine „Verlangsamung der Normalisierung“ der bilateralen Beziehungen mit den USA und äußerte Bedauern über Trumps jüngste Kritik an Präsident Putin.
Trump hatte sich am Montag „sehr enttäuscht“ vom russischen Präsidenten gezeigt. Offenbar hatte er in den vergangenen Wochen wiederholt direkten Kontakt zum Kreml gesucht – mutmaßlich mit dem Ziel, die eigenen außenpolitischen Erfolge zu unterstreichen. Dass die russische Seite ihm bislang keine nennenswerten Zugeständnisse gemacht hat, könnte den Ton verschärft haben.
Ultimatum als Teil eines neuen amerikanischen Kurses?
Das amerikanische Ultimatum könnte als Signal verstanden werden, dass Trump – entgegen mancher Erwartung – nicht zu einer vollständigen Entspannung mit Russland bereit ist. Während seiner früheren Amtszeit hatte Trump zwar wiederholt Putins Positionen Verständnis entgegengebracht. Doch in den aktuellen Regierungsstil Trumps mischt sich eine neue außenpolitische Härte, die offenbar auf Unterstützung innerhalb der republikanischen Reihen und bei den europäischen Verbündeten zielt.
Ob die Frist von „zehn bis zwölf Tagen“ mehr als eine rhetorische Drohgebärde ist, bleibt unklar. Die Administration in Washington ließ bislang offen, welche konkreten Maßnahmen bei einem Nichteinhalten folgen könnten – Sanktionen, militärische Unterstützung für die Ukraine oder diplomatische Isolation Russlands sind denkbar, wären jedoch in ihrer Wirksamkeit unterschiedlich ausgeprägt. Auch Trumps innenpolitischer Spielraum dürfte eine Rolle spielen: Ein außenpolitischer Erfolg käme ihm angesichts innenpolitischer Herausforderungen in der Epstein-Affäre gelegen.
Kiew bleibt alarmiert – Europas Rolle unklar
In der Ukraine reagierte die Regierung mit Skepsis. Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, man begrüße jede diplomatische Initiative, doch konkrete Fortschritte seien derzeit nicht erkennbar. Die wiederholten russischen Angriffe zeigten, „dass Moskau kein Interesse an einem echten Frieden hat“, so ein Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums.
Während Washington den Ton gegenüber Moskau verschärft, bleibt Europa vorerst im Hintergrund. Die EU-Außenbeauftragten halten sich mit öffentlichen Stellungnahmen zurück, auch aus Berlin und Paris kamen bislang keine Reaktionen auf Trumps Ultimatum. In Brüssel dürfte man abwarten wollen, ob den Worten der US-Regierung auch Taten folgen – oder ob das Ultimatum letztlich innenpolitisch motiviert war.
Russlands Strategie bleibt derweil zwiespältig: Mit Raketenangriffen demonstriert man Entschlossenheit, mit Lippenbekenntnissen zum Frieden soll der internationale Druck begrenzt werden. Dass der Kreml seine eigene Rolle als „Friedensakteur“ verkauft, während gleichzeitig zivile Ziele bombardiert werden, zeigt jedoch einmal mehr die instrumentelle Nutzung von Rhetorik in Moskaus Außenpolitik.
Angesichts der geopolitischen Unsicherheiten bleibt fraglich, ob das amerikanische Ultimatum den Verlauf des Krieges in naher Zukunft beeinflussen kann – oder ob es sich lediglich als weiteres Kapitel in einem zunehmend unübersichtlichen diplomatischen Tauziehen entpuppt.
Autor: Andreas M. Brucker
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