Tag & Nacht




Als Donald Trump am 12. Juli 2025 in einem Beitrag auf seinem Netzwerk Truth Social verkündete, er erwäge, der Komikerin Rosie O’Donnell die amerikanische Staatsbürgerschaft zu entziehen, sorgte er nicht nur für Empörung, sondern rief auch einen der längsten und schillerndsten öffentlichen Kleinkriege der US-Prominenz erneut ins Gedächtnis. Die Drohung ist juristisch haltlos – politisch aber bemerkenswert, weil sie exemplarisch zeigt, wie sich persönliche Fehden mit institutioneller Macht, öffentlicher Aufmerksamkeit und politischer Inszenierung verweben.

Eine Dauerfehde als Medienspektakel

Die Auseinandersetzung zwischen Trump und O’Donnell reicht bis ins Jahr 2006 zurück. Damals hatte die Schauspielerin und Komikerin in der TV-Sendung „The View“ Trumps Rolle als Geschäftsmann und Miss-USA-Organisator scharf kritisiert – sie sprach von einem „Schlangenölverkäufer“ mit fragwürdiger Moral. Trump, zu jener Zeit noch Unternehmer, reagierte prompt mit einer Serie von persönlichen Beleidigungen. Er bezeichnete O’Donnell als „Versagerin“ und „unbeherrschte Frau“.

In den folgenden Jahren geriet der Konflikt zur medialen Dauerschleife: Tweets, Interviews, Kommentare – meist verletzend, selten sachlich. Trump machte O’Donnell wiederholt zum Ziel seiner Verachtung, sie wiederum wurde zu einer der schärfsten prominenten Kritikerinnen des späteren Präsidenten.

Die Drohung als Ablenkungsmanöver?

Trumps jüngste Attacke fiel nicht zufällig in eine heikle Phase seiner zweiten Amtszeit. Nach seiner Rückkehr in das Weiße Haus sieht er sich mit wachsender Kritik konfrontiert – insbesondere nach seiner als chaotisch empfundenen Reaktion auf die verheerenden Überschwemmungen in Texas, bei denen über 120 Menschen ums Leben kamen.

Die mediale Aufmerksamkeit auf seine Bemerkung zu O’Donnell könnte deshalb auch als kalkuliertes Ablenkungsmanöver gewertet werden. Mehrere Kommentatoren – unter anderem The Independent und The Daily Beast – vermuten, Trump wolle durch die Zuspitzung des öffentlichen Diskurses von Versäumnissen seiner Administration ablenken. Das Muster ist bekannt: Mit provokanten Aussagen lenkt Trump die öffentliche Debatte gezielt auf Nebenschauplätze.

Juristisch unhaltbar, politisch dennoch brisant

Die Androhung eines Entzugs der Staatsbürgerschaft ist in der US-Verfassung klar geregelt – und praktisch ausgeschlossen. Der 14. Zusatzartikel der Verfassung schützt Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren wurden, explizit vor einem solchen Eingriff. Rosie O’Donnell, geboren 1962 in New York, besitzt somit ein unumstößliches Recht auf US-Staatsbürgerschaft.

Rechtsexperten wie der Verfassungsjurist Laurence Tribe von der Harvard Law School wiesen in Interviews mit US-Medien darauf hin, dass selbst ein präsidialer Erlass in diesem Fall keine Wirkung hätte. Die Androhung sei „verfassungswidrig, unethisch und rein performativ“, so Tribe. Auch die Houston Chronicle spricht von einem „juristischen Nullum mit politischem Nachhall“.

Irland als Rückzugsort – und Bühne der Replik

Rosie O’Donnell lebt mittlerweile in Howth, einer Küstenstadt nahe Dublin, mit ihrem nicht-binären Kind. Ihre Reaktion auf Trumps Äußerungen fiel scharf und zugleich selbstbewusst aus: In einem zehnminütigen TikTok-Video erklärte sie, die Drohung sei „absurd, aber erwartbar“. Begleitet wurde das Video von einer sarkastischen Bildmontage auf Instagram, die Trump zusammen mit dem wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten Jeffrey Epstein zeigt – versehen mit der Botschaft: „Ich lebe immer noch mietfrei in deinem verrottenden Hirn.“

O’Donnell inszeniert sich damit nicht nur als Opfer politischer Willkür, sondern als standhafte Kritikerin eines autoritären Politikstils – ein Narrativ, das bei Teilen des liberalen Publikums auf Resonanz stößt. Gleichzeitig nutzen auch konservative Medien die Episode zur Mobilisierung ihrer Basis, indem sie O’Donnells politische Haltung und ihren Lebensstil ins Visier nehmen.

Polarisierung als Prinzip

Die Episode Trump gegen O’Donnell steht exemplarisch für eine zunehmend personalisierte politische Kultur in den USA, in der öffentliche Auseinandersetzungen immer häufiger auf der Ebene der Selbstdarstellung und moralischen Diskreditierung geführt werden. Der Diskurs verliert an Inhalt, gewinnt aber an Lautstärke – und erfüllt dennoch seinen Zweck: Aufmerksamkeit, Mobilisierung, Loyalitätsbeweise.

Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Politik und Prominenz, zwischen Amt und Meinung. Dass ein US-Präsident öffentlich mit dem Entzug eines verfassungsmäßigen Grundrechts droht, ist kein politischer Lapsus – es ist Ausdruck einer Rhetorik, die institutionelle Normen bewusst ignoriert, um emotionale Wirkung zu erzielen. Die rechtliche Bedeutung ist gering, die gesellschaftliche Signalwirkung umso größer.

Wie in vielen Fällen zuvor bleibt am Ende eine Frage offen: Was bleibt hängen? Die juristische Wahrheit – oder die emotional aufgeladene Schlagzeile? In einem Land, in dem politische Kommunikation immer stärker von Polarisierung lebt, dürfte die Antwort leider klar sein.

Von Andreas Brucker

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