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Mit einer beispiellosen Rede im US-Justizministerium hat Donald Trump einmal mehr die Grenzen politischer Traditionen verschoben. Der amerikanische Präsident nutzte seinen Auftritt in der Behörde nicht, um neue politische Massnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung vorzustellen, sondern um eine Abrechnung mit der Justiz und den gegen ihn gerichteten Verfahren zu liefern. Die Veranstaltung glich einer Wahlkampfkundgebung und markierte eine weitere Zuspitzung der politischen Fronten in Washington.

Ein Auftritt voller Anspielungen und Angriffe

Es ist ein seltenes Ereignis, dass ein amtierender Präsident das Justizministerium besucht. Seit der Watergate-Affäre gelten in den USA klare Regeln zur Wahrung der Unabhängigkeit der Justizbehörden. Trump jedoch durchbrach diese Konventionen und hielt in der grossen Halle des Ministeriums eine Rede, die geprägt war von persönlichen Klagen und politischen Angriffen. Dabei lobte er die Richterin in Florida, die kürzlich die Anklage wegen unsachgemässer Handhabung geheimer Dokumente gegen ihn abgewiesen hatte, und verunglimpfte andere Richter als korrupt.

Seine Ausführungen enthielten wenig neue inhaltliche Akzente. Zwar wiederholte Trump sein Versprechen, gegen die Fentanyl-Krise vorzugehen und eine härtere Migrationspolitik durchzusetzen, doch diese Ankündigungen traten hinter seine juristischen Animositäten zurück. Er stellte die gegen ihn geführten Strafverfahren als Teil einer grossangelegten politischen Verschwörung dar, die von „radikalen Kräften“ gesteuert werde, um ihn aus dem Amt zu drängen.

Politische Einflussnahme auf das Justizministerium?

Seit seiner Rückkehr ins Weisse Haus hat Trump bereits mehrfach bewiesen, dass er die politische Neutralität des Justizministeriums nicht als zwingend erachtet. Er ernannte zwei seiner Verteidiger, Todd Blanche und Emil Bove, in hohe Positionen der Behörde und besetzte das Amt der Justizministerin mit Pam Bondi, die ihn während seines ersten Amtsenthebungsverfahrens verteidigt hatte. Zudem wurden zahlreiche erfahrene Beamte entlassen oder in andere Positionen versetzt, insbesondere jene, die an früheren Ermittlungen gegen Trump beteiligt waren.

Diese Entwicklungen haben für Unruhe gesorgt. Kritiker sehen darin eine gezielte Untergrabung der Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden. Demokratische Abgeordnete wie Jamie Raskin warfen Trump vor, das Justizministerium in eine „Waffe der politischen Vergeltung“ zu verwandeln. Raskin bezeichnete den Auftritt des Präsidenten als „einen düsteren Meilenstein auf dem Weg in den Autoritarismus“.

Ein Publikum aus Verbündeten

Die Veranstaltung im Justizministerium glich weniger einer sachlichen Rede als vielmehr einer Inszenierung für Trumps Anhängerschaft. Unter den Zuhörern befanden sich zahlreiche enge Verbündete des Präsidenten, darunter sein ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn, der selbst ins Visier der Justiz geraten war und später von Trump begnadigt wurde.

Die Atmosphäre erinnerte an eine Wahlkampfveranstaltung: Trump lobte Flynn als „Mann, der durch die Hölle gegangen ist“, sprach über steigende Eierpreise, pries seine eigenen Umfragewerte und zog Parallelen zwischen seinen juristischen Gegnern und Basketballschiedsrichtern, die sich manipulieren liessen. Die Rede endete in typischer Trump-Manier: Mit lautem Applaus und dem Song „YMCA“ der Village People verliess der Präsident die Bühne.

Ein Test für die amerikanische Justiz

Die Ereignisse rund um Trumps Auftritt im Justizministerium werfen eine grundsätzliche Frage auf: Wie widerstandsfähig ist das amerikanische Rechtssystem gegenüber politischer Einflussnahme? Zwar hat das Justizministerium historisch auch unter Druck von Präsidenten gestanden, doch eine derart offene Vereinnahmung durch die Exekutive ist in der jüngeren Geschichte beispiellos.

Ob Trumps Umbau des Justizministeriums langfristige Folgen haben wird, ist unklar. Doch die Debatte über die Unabhängigkeit der Justiz hat sich verschärft, und die politische Polarisierung in den USA dürfte durch diesen Auftritt weiter angefacht werden.

Autor: P. Tiko

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