Tag & Nacht




Am 3. Juni 2025 hat Donald Trump eine Entscheidung getroffen, die in den USA wie ein politisches Erdbeben wirkt – er hat eine Richtlinie der Biden-Regierung gestrichen, die Notfallabtreibungen in Krankenhäusern auch in Abtreibungsverbotsstaaten vorschrieb. Was zunächst nach bürokratischer Detailpolitik klingt, trifft in Wahrheit den Kern medizinischer Ethik und das Leben vieler Frauen mitten ins Herz.

Denn wer in einem US-Bundesstaat lebt, in dem Abtreibung verboten ist, konnte sich bislang im Notfall auf ein Bundesgesetz verlassen: das sogenannte EMTALA-Gesetz. Dieses verpflichtet Krankenhäuser, Patientinnen in medizinischen Notlagen zu stabilisieren – selbst wenn das einen Schwangerschaftsabbruch bedeutet. Diese Sicherheit ist jetzt passé. Mit gravierenden Folgen.


Notfall? Ja, aber nur bis zur Staatsgrenze

Die EMTALA-Richtlinie war 2022 eingeführt worden – kurz nach dem Fall des historischen Urteils Roe v. Wade. Sie sollte sicherstellen, dass Ärztinnen und Ärzte in Notsituationen nicht mit einem Bein im Gefängnis stehen, nur weil sie einer Frau das Leben retten wollen.

Trump behauptet, die Streichung solle „Rechtssicherheit“ schaffen. Tatsächlich reißt sie ein gewaltiges Loch in den Schutzschirm für Schwangere – besonders in republikanisch regierten Bundesstaaten wie Texas, Idaho oder Missouri. Dort herrscht ohnehin schon ein Klima der Angst unter Ärztinnen und Klinikbetreibern.

Ein Beispiel? Eine Frau mit einer Eileiterschwangerschaft wurde in Texas aus einem Krankenhaus nach Hause geschickt. Ihr Zustand war lebensbedrohlich. Der Grund: Rechtsunsicherheit. Die Klinik hatte Angst, gegen Abtreibungsrecht zu verstoßen. Eine spätere Bundesuntersuchung belegte den Verstoß gegen das EMTALA-Gesetz – doch der Schaden war da.


Projekt 2025 – der stille Masterplan

Die Entscheidung ist kein Zufall, sondern Teil eines größeren Plans: dem sogenannten „Projekt 2025“. Hinter diesem Titel verbirgt sich eine politische Agenda ultrakonservativer Kreise rund um Trump, die sich nicht nur gegen Abtreibung richtet, sondern auch gegen Verhütung und künstliche Befruchtung.

Ziel: alte Gesetze reaktivieren, Medikamente gegen Schwangerschaftsabbruch aus dem Verkehr ziehen, deren Versand verbieten, sexuelle Selbstbestimmung einschränken. Ein Frontalangriff auf das, was über Jahrzehnte erkämpft wurde – von Aktivistinnen, Ärztinnen, Familien.


Trump laviert – aber handelt eindeutig

Zwar betont Trump immer wieder, die Abtreibungsfrage solle „den Staaten überlassen“ bleiben. Doch seine jüngsten Entscheidungen sprechen eine andere Sprache. Die Streichung der Notfallrichtlinie ist eine bundesweite Maßnahme – ein Eingriff von oben. Eine klare Linie ist das nicht. Oder ist sie gerade deshalb so gefährlich?

Manche Beobachter sprechen von einem doppelten Spiel: Trump wollte sich im Wahlkampf nicht zu radikal zeigen – und gleichzeitig den Boden bereiten für eine umfassende Rückabwicklung reproduktiver Rechte. Zwischen den Zeilen wird deutlich: Die Bundesregierung unter Trump will kontrollieren, wo Frauen medizinische Hilfe bekommen – und wo nicht.


Was heißt das für die Betroffenen?

Es bedeutet: Eine Frau, die in einem Bundesstaat lebt, in dem Abtreibung verboten ist, und plötzlich eine schwere Schwangerschaftskomplikation erleidet, muss damit rechnen, dass kein Arzt ihr hilft – aus Angst vor juristischen Konsequenzen. Das ist nicht weniger als ein Bruch mit dem medizinischen Grundversprechen, Leben zu retten, wo es möglich ist.

Und genau hier liegt das moralische Dilemma: Muss ein Arzt warten, bis eine Frau fast stirbt, bevor er helfen darf? Ist das noch Medizin – oder schon ein Albtraum aus vergangener Zeit?


Zwischen politischem Kalkül und echtem Leid

Im Mittelpunkt dieser Entwicklung stehen keine Parteiprogramme – sondern echte Menschen. Frauen, die sich plötzlich in lebensbedrohlichen Situationen wiederfinden. Familien, die um ihre Angehörigen bangen. Ärztinnen, die juristisch zerrieben werden.

Manche Amerikaner:innen überlegen bereits, in andere Bundesstaaten umzuziehen. Andere organisieren heimliche Hilfsnetzwerke. Der Druck auf das Gesundheitssystem wächst – ebenso wie die Frustration in der Bevölkerung.

Doch wer glaubt, dass dieser Rückschritt die Bewegung für Frauenrechte aufhalten wird, dürfte sich täuschen. Bereits jetzt mobilisieren sich zahlreiche Gruppen und Verbände – mit Nachdruck und einer klaren Botschaft: Wir lassen uns unsere Rechte nicht nehmen.


Ein gefährlicher Weg zurück

Die Entscheidung vom 3. Juni markiert einen Wendepunkt. Sie zeigt, wie rasant die Aushöhlung reproduktiver Rechte in den USA voranschreitet – und wie gezielt die Trump-nahe Bewegung auf einen Kulturwandel hinarbeitet, der nicht weniger bedeutet als eine radikale Rückkehr zu veralteten Rollenbildern.

Die Frage, die bleibt: Wie weit darf eine Regierung gehen, wenn es um Kontrolle über den weiblichen Körper geht?

Autor: Andreas M. Brucker

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