Tag & Nacht




Donald Trump agiert mal wieder auf der großen geopolitischen Bühne – zumindest rhetorisch. In einem Interview mit dem US-Sender NBC erklärte der amerikanische Präsident am 30. März, er sei „sehr wütend“ auf Wladimir Putin. Damit sorgte er für eine gewisse Überraschung, zumal sich Trump in der Vergangenheit auffällig zurückhaltend gegenüber dem russischen Präsidenten gezeigt hatte. Der republikanische Präsident kritisierte jedoch nicht nur den Kremlchef, sondern nahm auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ins Visier. Zwischen Drohungen mit neuen Zöllen und dem Ruf nach einem Waffenstillstand offenbaren sich die Konturen einer erratischen, doch nicht ganz ziellosen Außenpolitik.

Neue Töne aus Washington

Trump reagierte vor laufenden Kameras ungewohnt scharf auf die jüngsten Entwicklungen im russisch-ukrainischen Krieg. Seine Äußerung, bei einem Scheitern der Verhandlungen mit Moskau „sekundäre Zölle auf jegliches russisches Öl“ zu erheben, wirkt wie eine Rückkehr zur wirtschaftlichen Druckpolitik, die während seiner ersten Amtszeit als bevorzugtes außenpolitisches Instrument diente. Gleichzeitig ist die Formulierung auffällig konditional: Trump stellt seine Drohung unter das Vorbehalt eines Scheiterns seiner eigenen Verhandlungen mit Putin – ein Szenario, das hypothetisch bleibt, solange keine wirklich konkreten diplomatischen Initiativen von Washington ausgehen.

Auffällig ist auch, dass Trump der russischen Seite die Hauptschuld am anhaltenden Blutvergießen zuschreibt – ein Schritt weg von früheren Relativierungen russischer Kriegsverantwortung. Dennoch milderte er seinen Ton nur wenige Stunden später auf dem Rückflug im Präsidentenflugzeug. Dort zeigte er sich „enttäuscht“, aber nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber Putin. „Ich denke, er wird das schon richtig machen“, sagte Trump und betonte zugleich, er wolle „sicherlich keine sekundären Zölle gegen Russland verhängen“. Die Widersprüchlichkeit in diesen Äußerungen verdeutlicht nicht nur Trumps Stil der politischen Kommunikation, sondern auch die strategische Unentschlossenheit seiner Regierung.

Misstrauen gegenüber Kiew

Deutlich schärfer fiel die Kritik an der ukrainischen Führung aus. Trump warf Präsident Selenskyj vor, ein Abkommen über die Nutzung seltener Erden durch US-Konzerne zu hintertreiben. Dies sei ein schwerwiegender Schritt, der „große, große Probleme“ verursachen könne. Im Kern geht es dabei um ein strategisches Abkommen zur Erschließung und Ausfuhr kritischer Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt – Materialien, die für die Energiewende und militärische Hochtechnologie der USA von zentraler Bedeutung sind.

Die Unterstellung, Selenskyj wolle sich einseitig aus diesem Vertrag zurückziehen, verweist auf das wachsende Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Interessen Washingtons und der Eigenständigkeit Kiews. Während sich die Ukraine in ihrer existenziellen Abhängigkeit von westlicher Unterstützung befindet, steigt zugleich der Druck aus den USA, wirtschaftliche Zugeständnisse zu machen. Die jüngste Überarbeitung des Abkommens durch amerikanische Stellen, über die Selenskyj am Freitag informierte, zeigt, dass auch auf US-Seite Anpassungsbedarf gesehen wurde. Trumps harscher Tonfall könnte als Signal an Kiew interpretiert werden, künftig engeren Vorgaben aus Washington zu folgen.

Innenpolitische Dimensionen außenpolitischer Rhetorik

Hinter Trumps Auftritt verbirgt sich auch ein innenpolitisches Kalkül. Der Präsident sieht sich zunehmendem Druck aus Teilen seiner eigenen republikanischen Partei ausgesetzt, die eine klarere Linie gegenüber Russland fordern. Gleichzeitig steht er unter Beobachtung einer Öffentlichkeit, die seine offensichtliche Nähe zum Kreml skeptisch beurteilt. In diesem Kontext könnte Trumps Rhetorik auch als Versuch gewertet werden, seine außenpolitische Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen – ohne jedoch festgelegte Positionen zu beziehen.

Die inhaltliche Ambivalenz – einerseits scharfe Worte, andererseits relativierende Nachsätze – ist typisch für Trumps Kommunikationsstil. Sie erlaubt ihm maximale Flexibilität in zukünftigen Verhandlungen und verhindert eine allzu frühe Festlegung. Politisch bleibt jedoch die Frage, wie glaubwürdig und wirksam eine solche Linie sein kann, insbesondere im Angesicht eines anhaltenden Krieges, was eigentlich strategische Geduld und klare Allianzen erfordert.

Strategische Konsequenzen für den Krieg in der Ukraine

Die jüngsten Äußerungen Trumps werfen ein Schlaglicht auf die fragile Lage der Ukraine im globalen Kräftespiel. Das Land kämpft nicht nur an der Frontlinie gegen Russland, sondern auch um die politische und wirtschaftliche Loyalität seiner Partner. Der Versuch Moskaus, eine „Übergangsregierung“ ohne Selenskyj zu installieren – wie von Putin kürzlich angedeutet – zeigt, dass der Kreml das politische Ziel eines Regimewechsels in Kiew nicht aufgegeben hat. Gleichzeitig wird Selenskyj durch Trump und andere westliche Stimmen zunehmend unter Druck gesetzt, zu einem „realistischen“ Friedensprozess zu kommen – was de facto territoriale Zugeständnisse bedeuten könnte.

Für Europa ist dies ein beunruhigendes Szenario. Die Rückkehr Trumps in das Weiße Haus hat bereits begonnen, die transatlantische Geschlossenheit zu erschüttern und neue Unsicherheiten zu schaffen. Trumps Äußerungen machen erneut klar, dass unter seiner Führung nicht mit einem uneingeschränkten Blankoscheck für die Ukraine zu rechnen ist. Vielmehr ist er offensichtlich geneigt, wirtschaftliche Interessen stärker zu gewichten als sicherheitspolitische Verpflichtungen.

Autor: MAB

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