Tag & Nacht




Donald Trumps Rückkehr vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen war ein Paukenschlag. Sechs Jahre nach seiner letzten Rede vor dem UN-Plenum nutzte der US-Präsident die weltpolitische Bühne nicht zur diplomatischen Annäherung, sondern als Kulisse für eine programmatische Kampfansage gegen Globalismus, Migration und Klimapolitik. Inhaltlich wie stilistisch war der Auftritt keine klassische Staatenrede, sondern ein kalkuliertes Manifest – inszeniert für maximale Wirkung unter seinen Anhängern, auf internationaler Bühne und in den Medien.


Ein Auftritt gegen den Strom

Trumps Rede fiel in eine Zeit zunehmender Spannungen: geopolitisch, klimatisch, migrationspolitisch. Die internationale Ordnung ist unter Druck, multilaterale Institutionen geraten in die Defensive. In diesem Kontext präsentierte sich Trump als dezidierter Gegenpol zur liberal-internationalen Ordnung. Er vermied konsensuale Töne und appellierte stattdessen an nationale Selbstbehauptung, wirtschaftliche Interessen und kulturelle Abgrenzung.

Dabei wurde deutlich: Die Rede war weniger außenpolitisches Positionspapier als strategische Selbstdarstellung – adressiert nicht nur an die diplomatische Gemeinschaft, sondern auch an die eigene politische Basis. Wer sich von Trumps Rückkehr eine Annäherung an internationale Standards erhofft hatte, wurde enttäuscht. Sein Auftritt war der Versuch, jene Narrative wiederzubeleben, mit denen er einst ins Weiße Haus gewählt wurde.


Migration, Klima, Globalismus – die drei Säulen der Provokation

Abschottung statt Integration

Im Zentrum stand eine harte Rhetorik zur Migration. Trump forderte Staaten explizit auf, ihre Grenzen zu schließen und illegale Einwanderer auszuweisen. Migration sei, so seine These, kein humanitäres Phänomen, sondern ein Werkzeug zur Unterwanderung nationaler Identität. Er zeichnete ein Bild vom „Zerfall westlicher Nationen“, das durch offene Grenzen und moralische Schwäche befördert werde.

Klimapolitik als Täuschung

Auch der Klimawandel wurde nicht als globale Herausforderung, sondern als ideologisches Konstrukt dargestellt. Trump sprach von einem „Schwindel“, der Wirtschaftskraft und nationale Souveränität untergrabe. Ambitionierte Klimaziele seien Teil eines globalen Plans zur Umverteilung von Wohlstand – von produktiven Nationen zu ideologisch motivierten Eliten. Die wirtschaftlichen Kosten grüner Energiepolitik, insbesondere für Industriestaaten, stellte er in den Vordergrund.

Angriff auf die Institutionen

Ein weiterer Schwerpunkt galt der Fundamentalkritik an internationalen Institutionen. Die UNO wurde als ineffizient, politisiert und realitätsfern beschrieben. Trump warf der Organisation vor, nicht mehr dem Frieden, sondern einer globalistischen Agenda zu dienen. Dabei bediente er sich bewusst sarkastischer und symbolischer Bilder: selbst technische Pannen – etwa ein defekter Teleprompter oder eine stillstehende Rolltreppe – wurden zu Allegorien institutionellen Versagens überhöht.


Stilistisch kalkulierte Provokation

Trump zeigte sich in seiner Rede stilistisch unverändert. Rhetorisch setzte er auf dramatische Überzeichnungen, Wiederholungen zentraler Schlagwörter und bewusste Brüche mit diplomatischem Protokoll. Seine Sprache war drastisch, emotional, oft konfrontativ.

Begriffe wie „Invasion“, „Zerfall“ oder „Monster“ dienten nicht der Differenzierung, sondern der Mobilisierung. Sie schufen klare Feindbilder – gegen Migranten, gegen Klimapolitiker, gegen internationale Bürokraten. Inhaltliche Komplexität wurde durch starke Vereinfachung ersetzt, Verantwortung externalisiert.

Zugleich ließ Trump kaum Zweifel daran, dass diese Provokation gewollt war. Der Bruch mit diplomatischen Konventionen, die bewusste Inszenierung von Störungen und der Verzicht auf Konsenstöne verstärkten das Bild eines Außenseiters, der gegen ein vermeintlich gescheitertes Establishment auftritt.


Strategie hinter der Konfrontation

Mobilisierung der Anhänger

Der unmittelbare Zweck der Rede lag in der innenpolitischen Wirkung. Die Themen – Migration, Klimakritik, Angriff auf supranationale Institutionen – adressieren gezielt die Kernwählerschaft Trumps. Sie bieten einfache Antworten auf komplexe Herausforderungen und bedienen das Narrativ vom „System“, das gegen den Bürger arbeite.

Internationale Signale

Zugleich richtete sich Trumps Auftritt auch an die internationale Bühne – allerdings nicht im Sinne klassischer Diplomatie. Vielmehr signalisierte er, dass unter seiner erneuten Führung ein Amerika zu erwarten sei, das sich stärker auf nationale Interessen konzentriert und bereit ist, auch langjährige Partnerschaften infrage zu stellen.

Destabilisierung der multilateralen Ordnung

Nicht zuletzt war die Rede auch ein Angriff auf die Legitimität internationaler Governance. Durch die Delegitimierung der UNO und globaler Klimaabkommen setzt Trump auf ein weltpolitisches Klima der bilateralen Interessenwahrung – fernab gemeinsamer Regeln. Seine Strategie ist nicht Kooperation, sondern Konfrontation auf Augenhöhe – oder darunter.


Wirkung und Grenzen

Die unmittelbare Wirkung der Rede war erheblich – zumindest in medialer Hinsicht. Internationale Beobachter zeigten sich irritiert, Diplomaten reagierten reserviert, Kommentatoren warfen Trump vor, mit populistischen Argumenten eine globale Bühne zu missbrauchen.

Doch zugleich stellt sich die Frage, wie groß der tatsächliche Einfluss solcher Auftritte ist. Internationale Institutionen sind träge, multilaterale Verträge schwer veränderbar, geopolitische Interessen komplexer als einfache Narrative. Die meisten Staaten dürften Trumps Rede als Wahlkampfveranstaltung betrachten – nicht als Wendepunkt der internationalen Politik.

Dennoch markiert der Auftritt eine Richtungsentscheidung: Sollte man gehofft haben, dass die USA unter Trump in absehbarer Zeit erneut zentrale außenpolitische Verantwortung übernehmen könnten, wird diese Rede als negativer Referenzpunkt gelten. Sie definiert die Linien seines egozentrischen Weltbilds – souveränistisch, unversöhnlich, medial kalkuliert.

Autor: MAB

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