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Mit der Ankündigung vom 22. Juli 2025, die Vereinigten Staaten zum Jahresende 2026 erneut aus der UNESCO zurückzuziehen, setzt Donald Trump ein weiteres Signal seiner außenpolitischen Linie der nationalen Eigenständigkeit. Es ist bereits das dritte Mal seit Gründung der Organisation im Jahr 1945, dass Washington der Kultur- und Bildungsagentur der Vereinten Nationen den Rücken kehrt – ein bezeichnender Schritt für eine zunehmend unilateral orientierte Supermacht.

Die Entscheidung folgt einem wiederkehrenden Muster der Trump-Doktrin: Multilaterale Institutionen gelten als ineffizient, politisch voreingenommen oder im Widerspruch zu amerikanischen Interessen. Die Konsequenzen dieser Strategie reichen weit über die UNESCO hinaus – sie rühren an die Grundfesten internationaler Kooperation.


Wiederbelebter Kulturkampf auf internationalem Parkett

Die offizielle Begründung für den Austritt offenbart viel über die ideologischen Prämissen der gegenwärtigen US-Regierung. Die UNESCO, so die Darstellung aus dem Weißen Haus, betreibe eine „woke Agenda“, die auf Diversität, Inklusion und Gleichberechtigung abziele – Schlagworte, die im republikanischen Lager zum Synonym für eine übergriffige, linksliberale Identitätspolitik geworden sind.

Zugleich erneuert Washington den Vorwurf eines „strukturellen Anti-Israel-Bias“. Bereits 2011 hatte die UNESCO Palästina als Vollmitglied aufgenommen, woraufhin die USA ihre Beitragszahlungen einstellten. Auch die Anerkennung palästinensischer Stätten – darunter das Grab der Patriarchen in Hebron – als Weltkulturerbe, hatte in konservativen Kreisen der USA Empörung ausgelöst.

Neben kulturellen und geopolitischen Differenzen rückt die Trump-Regierung die wachsende Rolle Chinas in den Mittelpunkt ihrer Kritik. Peking habe in der UNESCO erheblich an Einfluss gewonnen, so der Vorwurf – ein Umstand, den viele US-Außenpolitiker als sicherheitspolitisches Risiko betrachten. Diese Argumentation fügt sich ein in das übergeordnete Narrativ einer globalen Systemkonkurrenz mit China.


UNESCO: Symbolträgerin multilateraler Kooperation

Audrey Azoulay, die Generaldirektorin der UNESCO, reagierte mit Bedauern, aber gefasst. Man sei auf den Schritt vorbereitet, finanziell wie organisatorisch. Tatsächlich hat sich die Organisation nach dem ersten US-Austritt 2018 und dem Wiederbeitritt 2023 finanziell breiter aufgestellt. Der US-Beitrag macht derzeit rund 8 % des Gesamtbudgets aus – deutlich weniger als die 22 %, die Washington bis 2011 geleistet hatte.

Dennoch bleibt die symbolische Dimension erheblich: Die USA als jahrzehntelanger Taktgeber in Kultur- und Bildungspolitik entziehen sich erneut einem Forum, das auf gemeinsame Werte und universelle Standards baut. Gerade in Zeiten globaler Herausforderungen – von Desinformation über Bildungsungleichheit bis hin zu kulturellem Erbe in Kriegsgebieten – könnte die Präsenz einer führenden Demokratie wie der USA ein Gegengewicht zu autoritären Einflussnahmen darstellen.


Ein Muster des Rückzugs

Der Schritt passt in ein bekanntes Muster: Schon in Trumps erster Amtszeit (2017–2021) zogen sich die USA aus der WHO, dem UN-Menschenrechtsrat, dem Pariser Klimaabkommen und dem Atomabkommen mit dem Iran zurück. In allen Fällen lautete die Begründung: Die Vereinigten Staaten zahlten überproportional, profitierten aber zu wenig.

Derartige Entscheidungen stehen nicht nur für einen Strategiewechsel, sondern für eine veränderte Vorstellung internationaler Ordnung: weg von verbindlichen Regeln, hin zu bilateralen, oft machtbasierten Beziehungen. Das außenpolitische Leitmotiv „America First“ tritt so nicht nur als ökonomisches Mantra auf, sondern als grundlegende Weltanschauung, in der Kooperation stets am nationalen Nutzen zu messen ist.

Diese Logik hat in Teilen des US-Wahlvolks Anklang gefunden – vor allem unter Wählern, die multilaterale Organisationen als Instrumente globaler Eliten betrachten. Sie reiht sich ein in eine populistische Kritik an der „Global Governance“, die auch in anderen westlichen Ländern an Zuspruch gewinnt.


Die erneute Abkehr von der UNESCO ist mehr als ein kulturpolitisches Detail. Sie steht exemplarisch für eine USA, die sich von ihrer traditionellen Rolle als Architekt und Garant multilateraler Zusammenarbeit entfernt – und damit auch Räume freigibt, in denen autoritäre Staaten ihre Normen etablieren können. Sollte diese Entwicklung anhalten, könnte das internationale System schrittweise in Richtung Blockbildung und selektiver Kooperation abgleiten – mit allen Risiken für globale Stabilität, wissenschaftlichen Austausch und kulturelle Verständigung.

Autor: Andreas M. Brucker

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