Tag & Nacht




Am 18. Juni 2025 ließ die Menschenrechtsorganisation La Cimade deutliche Kritik hören: Die Entscheidung des französischen Innenministers, Migrant:innen strenger in Bahnhöfen und Bussen zu kontrollieren, folgt laut der Organisation „trumpistischer Inspiration“. Diese Maßnahme folgt auf eine Ankündigung, die Grenzkontrollen deutlich zu verschärfen – und zwar mit dem Einsatz von 4.000 Polizeikräften für eine 48‑Stunden‑Aktion in öffentlichen Verkehrsmitteln, um Migrant:innen ohne Aufenthaltsstatus aufzuspüren.

Ein dramatischer Coup auf der politischen Bühne

La Cimade wirft der Regierung eine medienwirksame Inszenierung vor, die an die Show-Strategien Donald Trumps erinnert: große Auftritte, symbolische Maßnahmen – und im Hintergrund: Wahlkampf. Statt auf subtile, nachhaltige Verwaltung zu setzen, wird laut Kritik ein symbolisches Statement gesetzt. Die Botschaft: harte Maßnahmen gegen die „Migration“, und das im grellen Rampenlicht.

Diese Inszenierung sei mehr als ein Polizeieinsatz. Sie erzeugt Aufmerksamkeit – in den Medien, bei der Bevölkerung und bei Wählerschaften. Doch auf wessen Rücken wird das ausgetragen? Richtig, auf dem Rücken von Migrant:innen und der Bevölkerung.

Stigma, Generalverdacht, Menschenrechte?

La Cimade bringt es auf den Punkt: Diese Operation tut, was eigentlich beabsichtigt ist – sie stigmatisiert. Menschen mit ausländischem Hintergrund werden kollektiv verdächtigt. Es droht ein Generalverdacht: Wo bist du geboren? Hast du die richtigen Papiere? Die Art und Weise, wie hier kontrolliert wird, kann nicht mit Einzelfallprüfungen gerechtfertigt werden. Vielmehr entsteht der Eindruck: Jeder, der anders aussieht, werde pauschal als potenziell illegal angesehen – und das mitten in der Öffentlichkeit.

Was das für die Betroffenen bedeutet? Seelisch belastender Alltag, Angst vor dem Zugfahren, Angst vor Entdeckung – und ganz konkret: Einschränkungen ihrer Grundrechte. Recht auf Privatsphäre, Bewegungsfreiheit, Gleichbehandlung – all das steht auf dem Spiel. Wenn staatliche Maßnahmen im Show-Modus stattfinden, verlieren sie an Transparenz, an Verhältnis – und an humanem Maß.

Migrantenpolitik im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Menschlichkeit

Frankreich befindet sich in einem politischen Klima, in dem Migration unumstritten ein zentrales Thema ist. Innere Sicherheit und staatliche Handlungsfähigkeit sind wichtige Anliegen. Doch Politik muss mehr sein als Bekämpfung. Sie ist auch Gestaltung. Und das verlangt Verantwortung.

Wie verhindert man eine Eskalation? Indem die nötigen Differenzierungen vorgenommen werden: Eine gezielte Kontrolle, abgesichert durch klare rechtliche Rahmen, ist legitim. Aber wenn sie öffentlichkeitswirksam inszeniert wird – als symbolischer Akt –, dann verdrängt sie die Debatte darüber, was wirklich sinnvoll ist.

Für ein respektvolles Miteinander

Es ist entscheidend: Sicherheitspolitik darf niemals den Vorrang vor Menschenwürde haben. Jedes staatliche Handeln darf nicht vergessen, wem es dient – nämlich dem Schutz aller Personen in Frankreich, auch der Schutzsuchenden.

Wichtig wäre jetzt: 1. klare rechtliche Grundlage für Kontrollen, 2. Transparente Kommunikation darüber, wie und warum sie stattfinden, 3. unabhängige Stellen zur Kontrolle von Übergriffen oder Diskriminierung, 4. Dialog mit Migrant:innen und NGOs. Nur so bleibt Politik glaubwürdig – und menschlich.

Die aktuelle Debatte zeigt deutlich: Wir brauchen mehr als spektakuläre Einzelaktionen. Wir brauchen Gespräche – zivilgesellschaftlich, parlamentarisch, öffentlich. Wir brauchen einen Diskurs, der erkennt: Migration ist komplex. Sie lässt sich nicht regeln mit 48‑Stunden‑Blanko‑Kontrollen. Sie braucht langfristige Strategien – humanitäre, administrative, sicherheitspolitische.

Frankreich steht an einem Punkt, an dem Realität und Inszenierung auseinanderdriften: Auf der einen Seite Menschen, die Schutz suchen. Auf der anderen Seite eine staatliche Bühne, die ihre Show abzieht. Diese Kluft kann nur überwunden werden, wenn wir mehr als Bühne zulassen: nämlich tiefe, verantwortungsvolle und menschenrechtsbasierte Auseinandersetzung.

Autor: Andreas M. Brucker

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