Donald Trumps zweite Amtszeit ist erst wenige Monate alt, doch sie trägt eine klar erkennbare Handschrift: Protektionismus, Polarisierung und eine rigorose Migrationspolitik. Während sich das mediale Interesse zuletzt auf den neuen bilateralen Handelsvertrag mit dem Vereinigten Königreich konzentrierte, bahnt sich im Hintergrund eine Entwicklung an, die weitreichendere Konsequenzen haben könnte: die geplante Massendeportation von Migranten in Drittstaaten, darunter Länder wie Libyen, die Ukraine und Ruanda.
Ein Blick zurück nach London
Großbritannien lieferte in dieser Hinsicht ein abschreckendes Beispiel. Zwischen 2022 und 2024 versuchte die damalige konservative Regierung unter Premierministern wie Boris Johnson und Rishi Sunak, irreguläre Migranten nach Ruanda abzuschieben. Ziel war es, durch das Signal der Abschiebung in Drittstaaten potenzielle Migranten abzuschrecken und zugleich innenpolitisch Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.
Doch das sogenannte „Ruanda-Programm“ geriet rasch unter Beschuss. Es kostete die britischen Steuerzahler fast eine Milliarde Dollar, ohne dass es je zur Umsetzung kam. Die britischen Gerichte erklärten das Programm für unzulässig, weil Ruanda kein sicheres Drittland im Sinne internationalen Rechts sei. Die Zahl der illegalen Bootsüberfahrten über den Ärmelkanal stieg währenddessen weiter an. Nach dem Regierungswechsel 2024 begrub Premierminister Keir Starmer das Vorhaben offiziell.
Washingtons neue Strategie
Trotz dieses Scheiterns in Europa setzt die US-Regierung unter Trump nun auf ein ähnliches Modell. Internen Dokumenten zufolge führt Washington derzeit Gespräche mit einer Reihe von Ländern – darunter El Salvador, Costa Rica, Mexiko, aber auch instabile oder autoritär regierte Staaten wie Libyen und Ruanda – mit dem Ziel, Migranten dort unterzubringen. In einem Fall wurde bereits ein irakischer Staatsbürger nach Ruanda überstellt, nachdem seine mutmaßliche Verbindung zu terroristischen Gruppen festgestellt wurde.
Der rechtliche und moralische Rahmen dieser Politik ist umstritten. In mehreren Bundesstaaten laufen Klagen gegen die Abschiebung in Länder, in denen den Betroffenen Gewalt oder Verfolgung droht. Ein Bundesrichter stellte jüngst fest, dass Migranten vor einer Abschiebung über Zielort und drohende Gefahren informiert werden müssen – ein Mindestmaß an rechtsstaatlicher Transparenz.
Ruanda – Partner oder Spielball?
Dass Ruanda zum bevorzugten Ziel für solche Programme wird, hat systemische Gründe. Das zentralafrikanische Land hat sich in den vergangenen Jahren als pragmatischer Partner in internationalen Migrationsabkommen positioniert. Bereits 2019 übernahm es im Rahmen eines UN-Projekts afrikanische Flüchtlinge aus libyschen Lagern. Auch mit Israel hatte Kigali zeitweise ein Abkommen zur Aufnahme von Migranten geschlossen.
Doch Ruanda ist nicht unumstritten. Präsident Paul Kagame regiert das Land autoritär, Oppositionsstimmen werden systematisch unterdrückt, und die Menschenrechtslage ist prekär. Hinzu kommt, dass Kigali in der Demokratischen Republik Kongo Rebellengruppen unterstützt, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden. Kritiker sehen daher in der US-Ruanda-Kooperation weniger eine humanitäre Lösung als ein geopolitisches Kalkül.
Libyen und die Ukraine – gefährliche Optionen
Die Auswahl der weiteren möglichen Zielländer wirkt beunruhigend. Libyen ist de facto ein gescheiterter Staat, zerrissen zwischen rivalisierenden Regierungen, Milizen und internationalen Einflusszonen. Humanitäre Organisationen berichten regelmäßig von systematischer Folter, Versklavung und Misshandlung von Migranten. Die Ukraine ihrerseits befindet sich in einem andauernden Krieg mit Russland – ein denkbar ungeeigneter Ort für die Aufnahme Abgeschobener aus den USA.
Dass die USA dennoch in beide Richtungen sondieren, zeigt das politische Kalkül: Es geht weniger um die tatsächliche Sicherheit der Abgeschobenen, sondern um die innenpolitische Wirkung. Abschreckung, Härte und Kontrolle sind die Schlagworte einer Migrationspolitik, die sich primär an der republikanischen Wählerschaft orientiert.
Symbolpolitik mit hohen Kosten
Ob Trumps neue Strategie tatsächlich Wirkung zeigt, bleibt zweifelhaft. Schon die britische Erfahrung hat gezeigt, dass die Auslagerung von Asylverfahren oder Abschiebungen in Drittstaaten kaum zu einem Rückgang irregulärer Migration führt. Die Ursachen – Krieg, Armut, Klimawandel – bleiben bestehen, die Anreize zur Migration ungebrochen. Statt langfristiger Steuerung droht eine teure Symbolpolitik mit massiven rechtlichen, moralischen und geopolitischen Nebenwirkungen.
Hinzu kommt: Mit der Bereitschaft, Deportationsabkommen mit autoritären Regimen einzugehen, riskiert Washington nicht nur internationale Glaubwürdigkeit, sondern auch die politische Instrumentalisierung durch diese Staaten. Sie könnten im Gegenzug für ihre Kooperation Rückendeckung in anderen Konfliktfeldern einfordern – etwa bei Menschenrechtsfragen oder militärischer Einflussnahme.
Die USA stehen vor einer Entscheidung: Wollen sie eine wertebasierte Migrationspolitik verfolgen oder lediglich politische Härte demonstrieren, ungeachtet der Folgen für Rechtstaatlichkeit und internationales Ansehen? Der Blick nach London zeigt, wohin Letzteres führen kann.
Von Andreas Brucker
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