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Die außenwirtschaftspolitische Strategie des neuen US-Präsidenten Donald Trump erlebt ein Comeback – mit neuen Zielvorgaben, aber altbekannten Methoden. Nachdem Trump am 9. April einen 90-tägigen Aufschub großflächiger Zölle für mehr als 70 Länder angekündigt hatte, beginnt nun eine Phase intensiver bilateraler Verhandlungen. Die vorübergehende Aussetzung, offiziell mit Turbulenzen auf dem Anleihemarkt begründet, dient in Wirklichkeit als Druckmittel: Wer keine Zugeständnisse macht, dem drohen massive Handelsbarrieren. Dabei bleibt das eigentliche Ziel der Administration oft diffus – was sowohl Verbündete als auch Gegner vor Herausforderungen stellt.

Eine unklare Agenda mit klaren Erwartungen

Offiziell strebt Trump den Abbau des Handelsdefizits der Vereinigten Staaten an – ein Anliegen, das unter Ökonomen als ökonomisch fragwürdig gilt. Dennoch treiben seine Berater auf internationaler Bühne konkrete Forderungen voran. Dazu zählen insbesondere:

  • verstärkte Käufe von US-Flüssiggas (LNG) durch Länder wie Japan oder die EU,
  • der Abbau von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen gegenüber US-Produkten,
  • ein Verzicht auf digitale Sondersteuern, die vor allem US-Techkonzerne wie Google oder Apple treffen,
  • sowie Maßnahmen zur Verhinderung sogenannter „transshipment“-Praktiken, bei denen chinesische Produkte über Drittstaaten wie Vietnam oder Mexiko in die USA gelangen.

Vor allem letzteres verweist auf den zentralen geopolitischen Gegner der Trump-Administration: China. Die neuen Verhandlungsansätze sollen sicherstellen, dass Länder wie Vietnam tatsächlich eigene Produkte exportieren – nicht bloß umgelabelte chinesische Güter.

Zwischen nationalem Kalkül und globalen Abhängigkeiten

Die wirtschaftlichen Interessen der USA stoßen dabei auf komplexe Realitäten. Viele der Länder, mit denen die USA derzeit verhandeln – darunter asiatische Staaten wie Malaysia, Thailand oder Bangladesch – sind eng mit China verflochten. China ist für Vietnam beispielsweise der mit Abstand wichtigste Importpartner. Entsprechend gering ist die Bereitschaft, sich offen gegen Peking zu positionieren. Auch innerhalb Europas besteht Zurückhaltung. Zwar besteht in Brüssel grundsätzlich Interesse an einer wirtschaftlichen Annäherung an die USA, doch digitale Regulierung und Datenschutz gelten als nicht verhandelbare Errungenschaften.

Gleichzeitig versucht Trump, spezifische Brancheninteressen zu bedienen. So soll Japan größere Mengen an US-LNG importieren, während europäische Länder ihre Agrarimporte aus den USA ausweiten könnten – insbesondere Rindfleisch und Sojaprodukte. Der Fokus auf branchenspezifische Deals erinnert an Trumps erste Amtszeit, als China sich im sogenannten „Phase-One“-Deal verpflichtete, mehr US-Güter zu kaufen – ein Versprechen, das Peking nie vollständig einlöste.

Verwirrung auf diplomatischer Ebene

Während die strategischen Stoßrichtungen klar sind, herrscht auf diplomatischer Ebene Verwirrung. Zahlreiche Länder wissen nicht, wer auf US-Seite überhaupt verhandlungsbefugt ist. Zwischen dem Finanzminister, dem Handelsminister und Beratern wie Peter Navarro oder dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer bestehen offenbar unterschiedliche Auffassungen. Ein indischer Unterhändler beschrieb die Situation als „schlicht unklar“. Auch diplomatische Vertreter Japans und der EU berichten von fehlender Koordination und vagen Signalen aus Washington.

Diese Unsicherheit hat dazu geführt, dass sich die Verhandlungspartner informell vernetzen – ein Netzwerk aus Telefonaten und Kurznachrichten soll helfen, die US-Forderungen zu deuten. Derweil laufen in Washington politische und technische Prüfungen möglicher Handelshemmnisse anderer Länder. Besonders im Fokus stehen dabei geistige Eigentumsrechte, Importquoten und Subventionen für Schlüsselindustrien.

Wirtschaftspolitik auf dem Prüfstand

Ökonomen betrachten Trumps Strategie mit Skepsis. Einerseits mag der protektionistische Kurs punktuell Arbeitsplätze in der US-Industrie sichern. Andererseits gefährdet er globale Lieferketten, erhöht die Preise für Konsumenten und provoziert Gegenmaßnahmen. Bereits 2018–2020 zeigten sich die Nebenwirkungen: Das Handelsdefizit der USA blieb trotz Zöllen auf China bestehen, während Landwirte und industrielle Exporteure unter chinesischen Gegenzöllen litten.

Auch jetzt besteht das Risiko, dass Länder wie China, aber auch Verbündete wie Deutschland oder Südkorea, mit eigenen Maßnahmen reagieren – etwa dem Verkauf von US-Staatsanleihen oder neuen Einfuhrbeschränkungen für US-Waren. Letztlich könnte die US-Wirtschaft selbst zum Opfer einer erratisch wirkenden Handelspolitik werden.

Ein fragiles Gleichgewicht

In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob Trumps Team in der Lage ist, konkrete und gleichzeitig geopolitisch verträgliche Abkommen zu schließen. Das Ziel, multilaterale Handelsbeziehungen in ein Netzwerk bilateraler Deals zu überführen, bleibt ambitioniert – zumal viele Länder bereits Handelsabkommen mit anderen Großmächten wie der EU oder China abgeschlossen haben.

Die Unsicherheit an den Finanzmärkten wirkt zudem als Katalysator. Schon jetzt lässt sich erkennen, dass wirtschaftliche Turbulenzen Trump zu taktischen Rückzügen bewegen können – was die Verhandlungsposition der USA schwächt. Ob die angestrebte Neuausrichtung der globalen Handelsordnung gelingen kann, bleibt offen. Fest steht nur, dass Washington erneut den Versuch unternimmt, wirtschaftliche Hegemonie mit politischem Druck zu erzwingen.

Von Andreas Brucker

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