Mit dem Inkrafttreten neuer US-Zölle am 9. April 2025 eskaliert die Regierung unter Donald Trump die globale Handelspolitik. Der neue Zolltarif gegenüber chinesischen Produkten liegt nun bei beispiellosen 104 Prozent. Auch enge Verbündete wie die EU, Japan oder Israel bleiben nicht verschont. Die Reaktionen sind global, die wirtschaftlichen Folgen weitreichend.
Was Trump als „Liberation Day“ bezeichnete, bedeutet für viele Regierungen, Unternehmen und Verbraucher den Beginn eines neuen Handelskriegs.
Ein neuer Protektionismus in Zahlen
Die Maßnahmen betreffen Importe aus insgesamt 89 Staaten und umfassen Produkte aus zahlreichen Sektoren, darunter Industrieerzeugnisse, Elektronik, Fahrzeuge und landwirtschaftliche Güter. China steht im Zentrum der US-Maßnahmen: Die Erhöhung auf 104 Prozent Zoll für chinesische Waren trifft ein Handelsvolumen von rund 560 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Für die EU wurde ein Satz von 20 Prozent festgelegt, Japan und Südkorea sehen sich mit 24 bzw. 25 Prozent konfrontiert, Israel mit 17 Prozent. Kanada, Mexiko und Australien erhielten Ausnahmen für ausgewählte Produktkategorien, doch auch sie bleiben nicht verschont.
Offiziell rechtfertigt das Weiße Haus die Maßnahmen mit dem Ziel, die amerikanische Industrie zu schützen, faire Handelsbedingungen zu erzwingen und die Abhängigkeit von ausländischen Lieferketten zu reduzieren. Trump sprach davon, dass die „Zeit der Ausbeutung Amerikas“ vorbei sei. In Wirklichkeit handelt es sich um die weitreichendste protektionistische Maßnahme seit den 1930er Jahren.
Chinas Gegenwehr und die Dynamik der Eskalation
Chinas Reaktion folgte prompt: Ein pauschaler Gegenzoll von 34 Prozent auf US-Waren wurde verhängt. Besonders betroffen sind landwirtschaftliche Erzeugnisse, Maschinen und Konsumgüter. Zusätzlich droht Peking mit regulatorischen Hürden für US-Unternehmen, etwa bei der Zulassung von Medikamenten und technischen Produkten. Auch kulturelle Produkte wie Hollywood-Filme könnten betroffen sein. Ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums sprach von einer „Erpressung unter dem Deckmantel der Souveränität“.
Weitere Staaten schlossen sich dem Widerstand an. Kanada konterte mit einem 25-prozentigen Zoll auf US-Fahrzeuge, die nicht dem USMCA-Abkommen entsprechen, und kündigte Investitionen in die eigene Fertigung an. Südkorea verabschiedete ein Notfallpaket in Höhe von 3 Billionen Won zur Unterstützung seiner Autoindustrie. Auch die EU deutete an, über WTO-konforme Gegenmaßnahmen nachzudenken, zögert jedoch angesichts interner Uneinigkeit.
Märkte unter Druck, Investoren auf der Flucht
Die Finanzmärkte reagierten bereits auf die Anzeichen einer globalen Entkopplung. Der S&P 500 Index verlor seit der Ankündigung der Zölle am 2. April rund 6 Billionen US-Dollar an Marktkapitalisierung. Technologiewerte, die stark von globalen Lieferketten abhängen, führen die Verluste an. In Asien sank der Nikkei-Index um 3,2 Prozent, der südkoreanische Won fiel auf den tiefsten Stand seit 2009. Auch europäische Börsen zeigten sich nervös: Der DAX fiel um 2,7 Prozent, insbesondere exportorientierte Unternehmen stehen unter Druck.
Die Ratingagentur Moody’s senkte den Ausblick für die US-Wirtschaft von „stabil“ auf „negativ“ und warnte vor einer Verlangsamung des Wachstums auf unter 1,2 Prozent für 2025. Gleichzeitig könnte die Inflation steigen, da importierte Konsumgüter teurer werden.
Amerikanische Innenpolitik im Zeichen des Zollnationalismus
Innenpolitisch ist die Debatte äußerst polarisiert. Während Trump seine Maßnahmen als patriotischen Akt verkauft, kritisieren viele Ökonomen die Strategie als wirtschaftlich riskant. Laut einer aktuellen Umfrage des Pew Research Center lehnen 54 Prozent der US-Bürger die Zollpolitik ab, vor allem wegen der erwarteten Preissteigerungen. Die Zustimmung zu Trump fällt in Vorwahlstaaten wie Michigan und Pennsylvania, wo Industriearbeitsplätze auf dem Spiel stehen.
Besonders betroffen sind kleine und mittlere Unternehmen, die keine alternativen Lieferquellen haben. Handelskammern und Branchenverbände warnen vor Stellenabbau und Produktionsverlagerung ins Ausland. Gleichzeitig profitieren einzelne Branchen, etwa die Stahl- und Aluminiumhersteller, die sich durch die importbedingten Preisanstiege Wettbewerbsvorteile erhoffen.
Strategische Implikationen für die Weltordnung
Die neuen US-Zölle markieren nicht nur eine wirtschaftspolitische, sondern auch eine geopolitische Zäsur. Die Weltwirtschaft droht sich in rivalisierende Handelsblöcke zu fragmentieren. Während die USA auf bilaterale Abkommen und Druck setzen, strebt China zunehmend regionale Allianzen im asiatisch-pazifischen Raum an, etwa im Rahmen des RCEP. Die EU könnte gezwungen sein, sich wirtschaftlich weiter von den USA zu emanzipieren.
Die Entwicklung erinnert an das Jahr 1930, als das US-amerikanische Smoot-Hawley-Tarifgesetz eine Welle protektionistischer Gegenmaßnahmen auslöste, die zur globalen Wirtschaftskrise beitrugen. Auch heute besteht das Risiko, dass nationaler Protektionismus zu einer anhaltenden Rezession führt. Die multilaterale Weltordnung mit Institutionen wie der WTO gerät dabei weiter unter Druck.
Ob es zu einer Einigung kommt, ist offen. Während China und die EU weiterhin Gesprächsbereitschaft signalisieren, scheint Washington derzeit nicht an einer Deeskalation interessiert. In der Zwischenzeit bleibt die Weltwirtschaft im Modus der Unsicherheit gefangen.
Von Andreas Brucker
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