Tag & Nacht




Am 2. April 2025 kündigte US-Präsident Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses ein umfassendes Paket neuer Importzölle an – ein Schritt, der weit über das hinausgeht, was Wirtschaftsexperten und politische Beobachter erwartet hatten. Mit dem Schlagwort „Liberation Day“ versehen, markiert diese Maßnahme nicht nur eine deutliche Abkehr von den Prinzipien des freien Welthandels, sondern auch eine Zuspitzung seines politischen Stils: konfrontativ, unilateral und maximalistisch.

In einer Weltwirtschaft, die nach den Verwerfungen der vergangenen Jahre noch immer nach Stabilität sucht, wirft diese neue protektionistische Wende der USA zahlreiche Fragen auf – wirtschaftlich, diplomatisch und institutionell. Sie deutet auf einen Präsidenten hin, der bereit ist, hohe Risiken einzugehen, um seine Vision eines neuen amerikanischen Wirtschaftsmodells durchzusetzen.

Zölle auf Rekordniveau

Die neuen Zölle betreffen sämtliche Importgüter mit einem allgemeinen Satz von 10 Prozent, ergänzt durch deutlich höhere „reziproke“ Tarife gegen ausgewählte Länder. Die Volksrepublik China wird mit einem zusätzlichen Satz von 34 Prozent belegt, Vietnam mit 46 Prozent, die Europäische Union mit 20 Prozent und Japan mit 24 Prozent. Damit steigt die durchschnittliche US-Zollrate auf rund 22 Prozent – ein Niveau, das zuletzt im frühen 20. Jahrhundert erreicht wurde.

Trump begründet diesen Schritt mit der Notwendigkeit, amerikanische Arbeitsplätze zurückzuholen und ein „faires“ Handelssystem zu etablieren. Der freie Zugang zu billigen Importgütern sei, so seine Worte, kein wesentlicher Bestandteil des amerikanischen Traums. Der Schutz der heimischen Industrie soll durch die neuen Zölle Vorrang erhalten – auch um den Preis kurzfristiger ökonomischer Verwerfungen.

Inflationäre Risiken und wachsender Druck auf Verbraucher

Die wirtschaftlichen Folgen dieser Zolloffensive sind erheblich. Analysten rechnen mit einem spürbaren Anstieg der Verbraucherpreise, da importierte Waren teurer werden und inländische Produzenten ihren Spielraum zur Preisanhebung nutzen könnten. Schätzungen zufolge dürften US-Haushalte im Durchschnitt mit zusätzlichen Kosten von über 1.000 Dollar pro Jahr rechnen müssen.

Hinzu kommt die Gefahr einer sich beschleunigenden Inflation in einem ohnehin angespannten geldpolitischen Umfeld. Sollte die Nachfrage unter dem Preisdruck nachlassen, droht eine Kombination aus stagnierendem Wachstum und steigenden Preisen – ein Szenario, das in der Vergangenheit als Stagflation gefürchtet war.

Globale Reaktionen zwischen Empörung und Abwarten

Die internationale Reaktion auf die neue Zollpolitik fiel gespalten aus. Europäische Vertreter warnten vor einer Eskalation, die nicht nur Handelsflüsse, sondern auch politische Bündnisse gefährden könnte. Andere Staaten, insbesondere in Asien, reagierten zurückhaltender, machten jedoch deutlich, dass Gegenmaßnahmen nicht ausgeschlossen seien.

Während manche Länder versuchen, durch diplomatische Kanäle Ausnahmen zu erwirken – womöglich bei einem Besuch in Mar-a-Lago –, prüfen andere Gegenmaßnahmen auf digitalem oder agrarischem Gebiet. Die Europäische Union denkt über eine Abgabe auf digitale Dienstleistungen nach, die insbesondere große US-Konzerne treffen würde.

Verunsicherung an den Märkten

Die Finanzmärkte reagierten nervös. US-Aktien verloren deutlich an Wert, Technologiewerte litten besonders unter der Sorge vor neuen Handelsbarrieren. Der Preis für Gold stieg auf ein historisches Hoch – ein klassisches Signal für die Suche nach Sicherheit. Auch asiatische Börsen verzeichneten Verluste, insbesondere jene in China, Japan und Südkorea, die von den Maßnahmen direkt betroffen sind.

Die Unsicherheit über mögliche Gegenmaßnahmen, die Dauer der Zölle und die Auswirkungen auf globale Lieferketten verstärken die Nervosität. Investoren stellen sich zunehmend auf ein volatiles Marktumfeld ein, das stark von politischen Entscheidungen geprägt ist.

2. April 2025: Donald Trump unterzeichnet vor Anhängern im Rosengarten des Weißen Hauses das Zoll-Dekret. (Screenshot X)

Strategiewechsel im Weißen Haus

Der neue Kurs ist Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels innerhalb der Trump-Administration. Während in seiner ersten Amtszeit noch Berater wie Jim Mattis oder Steven Mnuchin versuchten, die impulsiveren Instinkte des Präsidenten einzudämmen, sind diese Stimmen inzwischen weitgehend verstummt. Sie wurden ersetzt durch loyalere, oft medienaffine Persönlichkeiten, die Trumps Konfrontationskurs nicht nur mittragen, sondern strategisch rechtfertigen.

So wird das Ziel eines neuen wirtschaftlichen Ordnungsmodells zunehmend ideologisch unterfüttert. Globale Institutionen verlieren an Bedeutung, bilaterale Deals rücken in den Fokus. Wo einst multilaterale Kooperation dominierte, zählt nun die Stärke der eigenen Verhandlungsposition – gestützt auf Zölle, Sanktionen und wirtschaftliche Hebel.

Die Wiederbelebung des Protektionismus

Trump beruft sich mit seiner Zollpolitik auf historische Vorbilder wie William McKinley, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf hohe Importzölle setzte, um amerikanische Industrialisierung zu fördern. Doch die globale Wirtschaftsstruktur hat sich seither radikal verändert. Produktionsketten sind international verflochten, Handelsverträge komplexer, und die politischen Auswirkungen wirtschaftlicher Entscheidungen unmittelbarer.

Dennoch hofft Trump offenbar, durch einen Schockeffekt eine neue Dynamik zu erzeugen: Er erwartet, dass ausländische Märkte sich öffnen, um US-Zölle zu vermeiden, und dass heimische Produktion stimuliert wird – trotz steigender Kosten. Das ist nicht nur wirtschaftlich ein Wagnis, sondern auch diplomatisch ein Drahtseilakt.

Politisches Kalkül und innenpolitische Risiken

Dass Trump diese riskante Strategie ausgerechnet in seiner zweiten Amtszeit umsetzt, ist kein Zufall. Ohne Aussicht auf eine weitere Wiederwahl entfällt ein wesentlicher politischer Bremsmechanismus. Gleichzeitig stärkt ihn die Entscheidung des Supreme Court, die ihm Immunität für offizielle Handlungen zuspricht, in seinem Handlungsspielraum.

Doch die innenpolitischen Risiken sind nicht zu unterschätzen. Sollte die Wirtschaft in den kommenden Monaten einbrechen oder die Inflation außer Kontrolle geraten, könnte der innenpolitische Rückhalt schwinden. Auch die republikanische Mehrheit im Kongress steht unter Druck – vor allem, wenn die wirtschaftlichen Folgen der Zölle die Wähler direkt treffen.

Die kommenden Monate dürften zeigen, ob Trumps Zollpolitik ein kalkulierter Kraftakt ist – oder der Beginn einer Phase der wirtschaftlichen Selbstisolierung der Vereinigten Staaten.

Von Andreas Brucker

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!