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Die Ankündigung von Donald Trump, der Ukraine nun doch weitere moderne Patriot-Luftabwehrsysteme zu liefern, hat in Washington wie in Europa gleichermaßen für Erstaunen gesorgt. Noch vor zwei Wochen hatte der US-Präsident wesentliche Waffenlieferungen an Kiew gestoppt. Nun vollzieht Trump eine abrupte Kehrtwende – allerdings unter Bedingungen, die eine neue Dynamik in die transatlantischen Beziehungen bringen könnten.

Nach eigenen Angaben will Trump die Flugabwehr-Raketen liefern lassen, jedoch ohne dafür US-Steuergelder einzusetzen. Die Kosten, so Trump, sollten „die Europäer oder die NATO“ übernehmen. Damit verschiebt er nicht nur die finanzielle Verantwortung, sondern signalisiert zugleich eine strategische Reorientierung: Weg von einem amerikanisch geführten Ukraine-Engagement hin zu einer stärker europäisch getragenen Sicherheitsarchitektur.

Kalkulierte Symbolpolitik

Die Patriot-Systeme gelten als eines der leistungsfähigsten Luftverteidigungssysteme weltweit – sie können feindliche Raketen, Marschflugkörper und Flugzeuge in mittlerer bis hoher Flughöhe bekämpfen. Die Ukraine hatte wiederholt um zusätzliche Kapazitäten dieser Art gebeten, insbesondere zum Schutz kritischer Infrastruktur gegen russische Luftangriffe.

Dass Trump nun ausgerechnet dieses Waffensystem ins Spiel bringt, ist kein Zufall. Es sendet ein klares Signal militärischer Entschlossenheit, ohne den innenpolitisch riskanten Schritt zu gehen, neue Mittel im US-Kongress zu beantragen. Vielmehr entspricht die Maßnahme einer geopolitischen Geste – hoch symbolisch, aber mit beschränkter praktischer Wirkung, solange Finanzierung und Lieferzeitpunkt offen bleiben.

Ein geopolitisches Kalkül

Trumps Kehrtwende fällt in eine Phase zunehmender Dissonanz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Noch zu Beginn seines Wahlkampfs 2024 hatte Trump betont, er könne den Krieg in der Ukraine „innerhalb von 24 Stunden beenden“ – ein Satz, der vielerorts als implizite Zustimmung zu einem russischen Diktatfrieden verstanden wurde. Inzwischen hat sich der Ton verändert: Trump äußerte zuletzt „tiefe Enttäuschung“ über Putins Verhalten, insbesondere angesichts der russischen Offensive auf Charkiw und der Angriffe auf zivile Ziele.

Diese veränderte Rhetorik dürfte nicht nur wahlstrategisch motiviert sein, um sich gegenüber Präsident Biden als außenpolitisch handlungsfähiger darzustellen. Vielmehr reflektiert sie auch die gewachsene Einsicht, dass ein zu russlandfreundlicher Kurs im Kongress kaum Mehrheiten findet – selbst bei den Republikanern.

Europa unter Druck

Trumps Erwartung, Europa solle die Kosten für die Patriot-Lieferungen tragen, bringt die EU und die NATO in eine heikle Lage. Einerseits befürworten viele europäische Regierungen eine Ausweitung der Luftverteidigung für die Ukraine. Andererseits ist unklar, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen sich die europäischen Partner an einem US-System beteiligen würden, dessen Einsatz letztlich dem politischen Kalkül Trumps dient.

Besonders pikant: Patriot-Systeme sind knapp. Schon im Frühjahr 2024 hatte Deutschland Schwierigkeiten, ein weiteres System für die Ukraine bereitzustellen, ohne die eigene Luftverteidigung zu schwächen. Wenn die USA nun zusätzliche Systeme liefern wollen – oder auch nur deren Bereitstellung symbolisch ankündigen –, stellt sich unweigerlich die Frage nach den verfügbaren Beständen und deren Einsatzbereitschaft.

NATO und transatlantische Koordination

Trump kündigte für die kommenden Tage ein Treffen mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte an, das Licht ins Dunkel bringen könnte. Entscheidend wird sein, ob aus der Ankündigung eine koordinierte Strategie erwächst – oder ob es sich um eine isolierte Maßnahme handelt, die das Bündnis eher spaltet als stärkt.

Die Allianz ist in einer Übergangsphase: Der neue Generalsekretär Rutte muss sich in einem geopolitischen Umfeld beweisen, das zunehmend durch innenpolitisch getriebene Interessen einzelner Mitglieder geprägt ist.

Die kommenden Wochen könnten richtungsweisend sein – sowohl für die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine als auch für die Verlässlichkeit des Westens.

P. Tiko

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