Tag & Nacht




Australien – ein Land, das für seine atemberaubende Natur und einzigartige Tierwelt bekannt ist. Doch in den letzten Wochen lenkte ein Vorfall im Bundesstaat Victoria den Blick auf eine dunkle Kehrseite dieses Paradieses. Bis zu 750 Koalas wurden dort von Scharfschützen aus Hubschraubern getötet. Das Bild eines niedlichen Koalas, friedlich an einen Eukalyptusbaum geklammert, wird plötzlich von Gewehrschüssen übertönt. Ein schwer verdaulicher Gedanke – oder?

Die Regierung von Victoria verteidigt diese drastische Maßnahme als „humanitäre Euthanasie“. Doch nicht nur in Australien wächst das Unverständnis.

Buschbrände als Auslöser – der traurige Hintergrund

Alles begann mit einem verheerenden Buschbrand im Budj-Bim-Nationalpark, ausgelöst durch einen Blitzeinschlag. Rund 2.000 Hektar Eukalyptuswald verbrannten – der Lebensraum und die Nahrungsquelle der Koalas. Während viele Tiere den Flammen entkommen konnten, blieben sie mit schweren Verbrennungen, extremer Dehydrierung und Nahrungsmangel zurück.

Da das Gelände für Rettungskräfte schwer zugänglich war, entschied sich die Regierung für den radikalsten aller Wege: Die Tötung aus der Luft. Ein Gewehrschuss aus einem Hubschrauber – schneller Tod für das Tier, so die Begründung.

Premierministerin Jacinta Allan verteidigte die Aktion. Man habe umfassende Bewertungen vorgenommen, um das Leiden der Tiere zu beenden.

Aber wie lässt sich aus 30 Metern Höhe zuverlässig einschätzen, ob ein Koala unrettbar verloren ist oder doch eine Überlebenschance hätte?

Tierschützer laufen Sturm

Diese Frage beschäftigt zahlreiche Tierschutzorganisationen. Sie kritisieren nicht nur die Methode selbst, sondern auch die ethischen Grundlagen dieser Entscheidung. Jess Robertson von der Koala Alliance findet klare Worte: „Grausam und unethisch.“ Sie fordert eine unabhängige Untersuchung und ein sofortiges Ende der Schüsse.

Die Angst, dass gesunde Tiere, Muttertiere mit Jungtieren dieser ohnehin schon gefährdeten Art erschossen wurden, ist groß. Und sie wirft ein grelles Licht auf die Diskrepanz zwischen Naturschutz und Krisenmanagement.

Ein Symbol für Australiens Tierwelt in der Krise

Koalas – ein Symbol Australiens. Doch ihre Lage wird von Jahr zu Jahr prekärer. Abholzung, Klimawandel und immer heftigere Buschbrände setzen der Population massiv zu. In mehreren Bundesstaaten gelten Koalas bereits als gefährdet.

Der Budj-Bim-Nationalpark ist dabei nicht irgendein Stück Land – er ist UNESCO-Weltkulturerbe und Teil des kulturellen Erbes der Gunditjmara, der traditionellen Eigentümer. Dass dort nun Massentötungen stattfinden, wirft auch Fragen nach dem Schutz indigener Kulturgüter und deren Mitspracherecht auf.

Ein Ort von globalem kulturellen und ökologischen Wert, erschüttert durch eine solche Maßnahme – wie passt das zusammen?

Ein globales Dilemma

Die Diskussion um diese Koala-Tötungen ist mehr als nur eine lokale Debatte. Sie ist ein Paradebeispiel für das weltweite Ringen zwischen Naturschutz und pragmatischer Krisenbewältigung. Buschbrände werden zunehmen, Lebensräume schwinden – das ist die Realität des Klimawandels. Aber ist der Griff zum Gewehr aus der Luft wirklich der einzige Ausweg?

Man stelle sich vor, ähnliche Entscheidungen würden bei anderen ikonischen Tieren getroffen – Pandas in China oder Elefanten in Afrika. Der Aufschrei wäre unvorstellbar. Warum also scheint es bei den Koalas anders zu sein?

Vielleicht liegt es daran, dass Australien in den vergangenen Jahren immer wieder Schlagzeilen durch Massensterben seiner Tierwelt gemacht hat. Erinnerungen an verbrannte Koalas nach den Buschbränden 2019/2020 sind noch präsent. Die emotionale Erschöpfung scheint groß.

Ein Ruf nach besseren Lösungen

Was also tun? Natürlich kann niemand die verheerenden Auswirkungen der Buschbrände leugnen. Und auch die Notwendigkeit, leidende Tiere zu erlösen, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber die Forderung der Tierschützer nach besseren, alternativen Lösungen ist berechtigt. Mehr lokale Pflegestationen, spezialisierte Rettungsteams, der Einsatz von Drohnen für genauere Tierbeobachtungen – all das sind Möglichkeiten, die in den Raum gestellt werden.

Doch eines steht fest: Diese tragische Aktion hat das Bewusstsein für den Schutz der Koalas erneut geschärft. Sie zeigt einmal mehr, wie dringend Australien ganzheitliche Strategien für den Erhalt seiner einzigartigen Tierwelt braucht.

Denn wenn selbst Koalas – diese friedlichen, sanften Wesen – nicht mehr sicher sind, wie steht es dann um all die anderen Arten?

Autor: M.A.B.

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