Tag & Nacht

Die westliche Bretagne steht buchstäblich unter Wasser. Heftige Regenfälle und zwei aufeinanderfolgende Stürme haben in der Region Ille-et-Vilaine zu dramatischen Überschwemmungen geführt – besonders in der Stadt Rennes, wo Straßen, Häuser und ganze Stadtteile überflutet sind. Doch die Lage ist noch nicht ausgestanden: Die Flüsse haben ihren Höchststand noch nicht erreicht, und weitere Regenfälle sind angekündigt. Wie konnte es so weit kommen, und was bedeutet das für die betroffenen Menschen?


Ein Szenario, das alles verändert

Rennes bietet derzeit ein Bild der Verwüstung: Eine überflutete Autobahn, vollgelaufene Keller und Straßen, die sich in Kanäle verwandelt haben. Der Regen der letzten Tage war rekordverdächtig: Innerhalb von 24 Stunden fielen 50 Liter – eine Wassermenge, die in der Region seit 40 Jahren nicht mehr gemessen wurde.

„Es ist, als ob die Stadt verschwunden wäre und das Wasser ihren Platz eingenommen hat“, sagt ein Anwohner, der sein Hab und Gut mit einem Kanu in Sicherheit bringt. Ein besonders bedrückendes Bild: Ein Vater und sein Sohn sind in einem Wohngebäude gefangen, ohne Möglichkeit, das Haus zu verlassen. Gleichzeitig treiben Boote und sogar kleine Lastkähne durch die Straßen – ein absurdes Schauspiel, das eher an eine Filmszene als an die Realität erinnert.

Die Ursache für dieses Chaos liegt nicht nur im heftigen Regen selbst, sondern auch im Zustand der Böden: Nach Wochen intensiver Niederschläge waren die Böden der Region bereits völlig gesättigt. Es gab einfach keinen Platz mehr für das Wasser, das nun unaufhaltsam in die Städte und Dörfer strömt.


Noch mehr Regen in Sicht

Wie viel Wasser kann eine Stadt wie Rennes eigentlich verkraften? Offenbar nicht mehr viel. Und doch sind die Prognosen alles andere als beruhigend. Laut Météo Bretagne werden in der kommenden Nacht 20 bis 40 Liter zusätzlicher Niederschlag erwartet – das entspricht fast zwei Wochen Regen innerhalb weniger Stunden.

Für die Menschen, die bereits alles verloren haben, ist das eine schreckliche Nachricht. Viele von ihnen mussten ihre Häuser verlassen und fanden vorübergehend Zuflucht in Notunterkünften, die in Sporthallen und öffentlichen Gebäuden eingerichtet wurden. Am Morgen kehren sie zurück, um die Schäden zu begutachten – doch die Aussicht auf weiteren Regen lässt kaum Raum für Hoffnung.


Was hat das mit dem Klimawandel zu tun?

Bei solchen Katastrophen stellt sich immer wieder die Frage: Ist das „nur Wetter“ – oder steckt mehr dahinter? Die Antwort ist eindeutig. Während einzelne Ereignisse nicht immer direkt dem Klimawandel zugeschrieben werden können, sind die Muster, die wir weltweit beobachten, kaum zu leugnen.

Der Klimawandel führt zu einer Erwärmung der Atmosphäre. Diese kann mehr Feuchtigkeit speichern, was wiederum die Intensität und Häufigkeit von Starkregenereignissen erhöht. Gleichzeitig verändern sich Wettersysteme, wodurch Regenfälle oft über längere Zeiträume in denselben Regionen hängenbleiben. Das Ergebnis sind Überschwemmungen, wie sie gerade in der Bretagne erlebt werden.

Hinzu kommt, dass wir unsere Landschaften zunehmend so gestalten, dass sie solchen Ereignissen wenig entgegensetzen können. Versiegelte Flächen, begradigte Flüsse und fehlende natürliche Rückhaltegebiete verstärken die Auswirkungen von Starkregen. In Rennes und anderen Städten sehen wir die Konsequenzen dieser Entwicklungen in erschreckender Klarheit.


Was bedeutet das für die Betroffenen?

Ein Haus zu verlieren, ist nicht nur ein finanzieller Schaden – es ist ein emotionaler Bruch. Für viele Menschen in Rennes und Umgebung sind die Überschwemmungen eine persönliche Katastrophe. Familien haben ihr Hab und Gut verloren, Erinnerungen wurden buchstäblich weggespült, und die Unsicherheit, wie es weitergeht, ist allgegenwärtig.

Besonders schwer wiegt die Tatsache, dass nicht alle gleichermaßen betroffen sind. Während einige die Möglichkeit haben, Schäden schnell zu reparieren oder Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen, stehen andere vor dem Nichts. Solche Krisen machen deutlich, wie ungleich die Auswirkungen von Naturkatastrophen verteilt sind – ein Aspekt, der in der Diskussion um Klimaanpassung und soziale Gerechtigkeit oft zu kurz kommt.


Wie können wir uns vorbereiten?

Was kann eine Stadt wie Rennes tun, um solche Katastrophen in Zukunft zu vermeiden? Die Antwort liegt nicht in einer einzelnen Maßnahme, sondern in einem Bündel von Strategien, die präventiv und nachhaltig wirken müssen.

  1. Natürliche Rückhaltegebiete schaffen
    Regenwasser muss dort zurückgehalten werden, wo es fällt – durch Grünflächen, Feuchtgebiete und entsiegelte Böden. Solche „Schwämme“ können das Risiko von Überschwemmungen erheblich verringern.
  2. Kanalisation und Infrastruktur anpassen
    Die bestehenden Systeme sind oft nicht für die Regenmengen ausgelegt, die der Klimawandel mit sich bringt. Investitionen in eine moderne und widerstandsfähige Infrastruktur sind unerlässlich.
  3. Frühwarnsysteme verbessern
    Eine rechtzeitige Warnung kann Leben retten. Digitale Systeme, die Wetterdaten in Echtzeit auswerten und lokal angepasste Warnungen ausgeben, sind ein wichtiger Schritt in Richtung Sicherheit.
  4. Wiederaufforstung und naturnahe Flüsse fördern
    Wälder und natürliche Flussläufe helfen nicht nur, Wasser zu speichern, sondern bieten auch einen langfristigen Schutz vor den Folgen des Klimawandels.

Hoffnung am Horizont?

Die Überschwemmungen in Rennes und Ille-et-Vilaine sind eine Erinnerung daran, wie verwundbar wir sind – aber auch daran, dass es Lösungen gibt. Die Herausforderung besteht darin, diese Lösungen konsequent umzusetzen. Städte wie Rotterdam und Singapur zeigen, dass es möglich ist, mit dem Wasser zu leben, anstatt gegen es zu kämpfen. Warum sollte das in Rennes nicht auch gelingen?

Vielleicht ist es genau dieser Moment – mitten im Chaos –, der uns dazu bringt, die Dinge grundlegend anders anzugehen. Die Frage ist: Wie viele solcher Ereignisse müssen noch passieren, bevor wir handeln? Oder haben wir nicht längst genug Warnungen erhalten?


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