Die beiden vorherigen Gesprächsrunden zwischen Kiew und Moskau im Mai und Juni hatten lediglich zu Gefangenenaustauschen und zur Übergabe der Leichen gefallener Soldaten geführt.
Wer auf ein Fünkchen Hoffnung setzte, wird rasch enttäuscht: Moskau bleibt bei seinen Bedingungen. Der Kreml erklärte am Dienstag, dem 22. Juli, dass er bei den anstehenden Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine, die für Mittwoch in der Türkei angesetzt sind, nicht mit „wundersamen Durchbrüchen“ rechne.
„Es gibt selbstverständlich keinen Grund, auf wundersame Fortschritte zu hoffen. Aber wir beabsichtigen, unsere Interessen zu verteidigen, sie abzusichern und die Aufgaben zu erfüllen, die wir uns von Anfang an gesetzt haben“, sagte Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidialamtes, in einem Pressebriefing. Die beiden vorausgegangenen Verhandlungsrunden im Mai und Juni, die unter Druck des US-Präsidenten Donald Trump organisiert worden waren, hatten kaum Fortschritte bei einem Waffenstillstand gebracht – es blieb bei Gefangenenaustauschen und der Übergabe getöteter Soldaten.
Kein Wunder, aber neue Runde: Moskau signalisiert harte Linie vor Gesprächen in Istanbul
Inmitten andauernder militärischer Operationen bereiten sich Russland und die Ukraine auf eine dritte Verhandlungsrunde in der Türkei vor – ohne Hoffnung auf Durchbrüche.
Nur wenige Stunden vor Beginn der neuen Gespräche in Istanbul hat Russland erneut mehrere ukrainische Städte mit Drohnen angegriffen. Dabei wurden zivile Infrastrukturen getroffen, mindestens ein Kind kam ums Leben. Der symbolische Kontrast könnte kaum schärfer sein: Während auf diplomatischer Ebene Gesprächsbereitschaft betont wird, setzt sich die militärische Eskalation ungebremst fort.
Peskows Dämpfer: „Keine wundersamen Fortschritte“
Der Sprecher des russischen Präsidialamts, Dmitri Peskow, stellte bereits am Vortag der Gespräche klar, dass man in Moskau keinerlei Wunder erwarte. Russland werde seine Interessen konsequent vertreten und an jenen strategischen Zielen festhalten, die es sich „von Anfang an gesetzt“ habe. Damit gibt der Kreml die Linie vor: keine Kurskorrekturen, sondern die Fortführung eines Kurses, der bislang auf maximalen politischen und territorialen Gewinn ausgelegt ist.
Gegensätzliche Forderungen
An substanziellen Differenzen mangelt es nicht. Russland verlangt, dass die Ukraine die russische Kontrolle über vier annektierte Gebiete anerkennt und sich dauerhaft zu einer militärischen Neutralität verpflichtet. Die Ukraine hingegen fordert den vollständigen Rückzug russischer Truppen, die Rückgabe aller Kriegsgefangenen sowie die sofortige Beendigung der Angriffe auf zivile Ziele. Hinzu kommt die Forderung nach Rückführung verschleppter ukrainischer Kinder – ein Punkt, der zunehmend auch völkerrechtlich an Brisanz gewinnt.
Verhandlungen auf niedriger Ebene
Wie schon in den vorherigen Gesprächsrunden im Mai und Juni entsendet Russland keine ranghohen Vertreter, sondern ein Team aus Diplomaten und Beratern mittlerer Ebene. Diese Zurückhaltung auf symbolischer wie struktureller Ebene signalisiert: Die Verhandlungen dienen derzeit kaum der ernsthaften Lösungsfindung, sondern eher der Schau – als Mittel geopolitischer Kommunikation nach außen.
Auch auf ukrainischer Seite scheint das Kalkül vor allem auf Zeitgewinn und internationale Mobilisierung zu zielen. Das Ziel: die Aufrechterhaltung westlicher Unterstützung, insbesondere der militärischen und wirtschaftlichen Hilfe.
US-Druck und strategisches Umfeld
Ein zentrales Moment der aktuellen Verhandlungsrunde ist der zunehmende Druck aus Washington. US-Präsident Donald Trump hatte Moskau ein Ultimatum gestellt: Binnen 50 Tagen müsse es greifbare Fortschritte geben, sonst drohten neue Sanktionen. Gleichzeitig hat die US-Regierung die militärische Unterstützung Kiews weiter ausgebaut, was in Moskau als Eskalation gewertet wird.
Auch in der EU formiert sich ein weiteres Sanktionspaket, das insbesondere den russischen Energiesektor und militärisch-technische Zulieferer treffen soll. Vor diesem Hintergrund könnten die Gespräche in Istanbul weniger auf einen echten Kompromiss zielen, sondern Teil einer strategischen Zermürbungstaktik beider Seiten sein.
Symbolik statt Substanz
Die bisherigen Ergebnisse der Gespräche bleiben bescheiden: Gefangenenaustausche, die Übergabe gefallener Soldaten – aber keine strukturelle Einigung in Kernfragen wie Waffenstillstand, Demarkationslinien oder Sicherheitsgarantien. Während Moskau weiterhin auf Bedingungen pocht, die auf eine faktische Kapitulation Kiews hinauslaufen würden, versucht die ukrainische Seite, durch diplomatische Initiative und militärische Standhaftigkeit internationale Rückendeckung zu sichern.
Auch Vorschläge zu örtlichen oder temporären Waffenruhen, etwa in humanitären Korridoren oder für Erntezeiten, sind bislang an mangelnder Umsetzungsbereitschaft gescheitert. In der Summe bleibt der diplomatische Spielraum eng, solange beide Seiten in diesem Denken verharren.
Am Ende dieser dritten Verhandlungsrunde steht vor allem eines fest: Der Krieg geht weiter – militärisch wie rhetorisch. Die Bühne in Istanbul bietet keine Öffnung, sondern vor allem Inszenierung. Der Weg zu einer substanziellen Friedenslösung bleibt blockiert – nicht zuletzt, weil beide Seiten bislang mehr auf militärische als auf diplomatische Hebel setzen.
Von Andreas Brucker
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!