Die UN-Menschenrechtskommission beschuldigte Israel am Donnerstag, zunehmend sexuelle Gewalt gegen Palästinenser einzusetzen und völkermörderische Handlungen zu begehen – unter anderem durch die systematische Zerstörung von Einrichtungen für sexuelle und reproduktive Gesundheitsversorgung. Dies betrifft sowohl den Gazastreifen als auch das Westjordanland in den 17 Monaten seit dem Angriff vom 7. Oktober 2023.
Die in einem 49-seitigen Bericht dokumentierten Verstöße wurden während einer Anhörung des UN-Menschenrechtsrates in Genf vorgestellt. Laut der UN-Kommission seien palästinensische Frauen, Männer sowie Mädchen und Jungen in den besetzten Gebieten betroffen. Diese Verbrechen seien ein zentrales Element der Misshandlung der palästinensischen Bevölkerung und Teil der völkerrechtswidrigen Besatzung sowie der Verfolgung der Palästinenser als Gruppe, hieß es in einer Pressemitteilung der UN-Menschenrechtskommission.
Israel, das laut Kommission eine Zusammenarbeit bei der Untersuchung verweigert habe, wies den Bericht entschieden zurück. Die israelische Regierung bezeichnete das Dokument als „kranke Schrift, die nur eine antisemitische Organisation wie die UN verfassen könnte“ und sprach von der „schlimmsten Blutverleumdung in der Geschichte“.
Systematische sexuelle Gewalt als Mittel der Unterdrückung
Den UN-Ermittlern zufolge hätten israelische Streitkräfte und Siedler sexuelle Gewalt verübt, darunter Vergewaltigungen, Genitalverletzungen sowie Vergewaltigungsdrohungen mit dem Ziel der Erniedrigung und Einschüchterung. Diese Taten seien von zivilen und militärischen Führungspersönlichkeiten Israels befohlen oder angestachelt worden.
Die Kommission stellte fest, dass sexuelle Gewalt als „Mittel der Bestrafung und Einschüchterung“ eingesetzt worden sei – sowohl bei Verhaftungen als auch während der Haftzeit, einschließlich Verhören und Durchsuchungen. Die Motive der Täter seien von „extremem Hass auf Palästinenser“ geprägt gewesen, verbunden mit einem „Wunsch, sie zu entmenschlichen und zu bestrafen“.
Frauen seien routinemäßig mit Vergewaltigung bedroht worden. Dokumentiert wurden Fälle, in denen Frauen gezwungen wurden, sich in der Öffentlichkeit oder vor Soldaten zu entkleiden oder ihren Schleier abzulegen. Zudem seien sie erniedrigenden Leibesvisitationen, Drohungen sowie verbaler und körperlicher Gewalt ausgesetzt gewesen.
Die Kommission bewertete dies als sexuelle Gewalt im Kontext religiöser und kultureller Bekleidungsvorschriften, insbesondere für muslimische Frauen und Mädchen, die zur Verschleierung verpflichtet sind.
Männer und Jungen seien tagelang nackt in eiskalten israelischen Gefängnissen festgehalten worden. Viele von ihnen hätten angegeben, vergewaltigt worden zu sein.
Zudem dokumentierte der Bericht, dass erzwungene Nacktheit vor Soldaten und anderen Gefangenen häufig als Mittel der Demütigung eingesetzt wurde – beispielsweise durch wiederholte Leibesvisitationen sowie Verhöre, bei denen die Betroffenen nackt auftreten mussten, teils unter Kameraüberwachung.
Auch wurden Häftlinge während des Transports unbekleidet mit sexuellen Beleidigungen konfrontiert. In überfüllten Zellen seien sie nackt zusammengepfercht oder in demütigenden Positionen mit verbundenen Augen und gefesselten Händen gezwungen worden, zu verharren.
Die Kommission verifizierte vier Fälle, in denen Mitglieder der israelischen Sicherheitskräfte männliche Gefangene durch Tritte, Ziehen oder Quetschen der Genitalien misshandelten. Andere Opfer berichteten, dass sie mit Fingern, Stöcken, Besenstielen, Gemüse oder Metallstangen gewaltsam penetriert worden seien.
Der Bericht kam zu dem Schluss, dass die dokumentierten Fälle der sexuellen Gewalt zu weit verbreitet und zu ähnlich seien, als dass sie nur auf einzelne Täter zurückzuführen sein könnten. Vielmehr sei die Gewalt systematisch.
„Die von der Kommission gesammelten Beweise zeigen einen erschreckenden Anstieg sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt“, erklärte Navi Pillay, die Vorsitzende der Untersuchungskommission.
„Es gibt keinen Zweifel daran, dass Israel sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gezielt einsetzt, um Palästinenser zu terrorisieren und ein Unterdrückungssystem aufrechtzuerhalten, das ihr Selbstbestimmungsrecht untergräbt“, so Pillay weiter.
Zerstörung des reproduktiven Gesundheitswesens und Vorwürfe des Völkermords
Der Bericht beschuldigt Israel zudem, systematisch Einrichtungen für sexuelle und reproduktive Gesundheitsversorgung anzugreifen und den Zugang zu Medikamenten sowie medizinischer Ausrüstung zu blockieren. Dadurch seien die Sicherheit von Frauen während der Schwangerschaft, bei der Geburt und in der Nachsorge massiv gefährdet worden – ein Verstoß gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
Die Kommission erklärte, dass durch diese Bedingungen in Gaza zahlreiche Todesfälle infolge von Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen eingetreten seien. Dies stelle ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form der Ausrottung“ dar.
Darüber hinaus habe Israel gezielt „Lebensbedingungen geschaffen, die auf die physische Vernichtung der Palästinenser abzielen“ und Maßnahmen verhängt, die „darauf gerichtet sind, Geburten zu verhindern“. Beide Tatbestände erfüllten die Definition des Völkermords gemäß der Genozidkonvention und dem Römischen Statut.
„Die gezielte Zerstörung reproduktiver Gesundheitseinrichtungen – darunter direkte Angriffe auf Entbindungsstationen sowie Gazas größte In-vitro-Fertilitätsklinik – verbunden mit der systematischen Aushungerung der Bevölkerung, betrifft alle Aspekte der Fortpflanzung“, erklärte Pillay.
„Diese Verstöße haben nicht nur unmittelbar schwerwiegende körperliche und psychische Schäden bei Frauen und Mädchen verursacht, sondern auch langfristige, irreversible Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und die Fortpflanzungsfähigkeit der Palästinenser als Gruppe.“
MAB
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