Tag & Nacht




Paris ächzt unter einer dieser hochsommerlichen Hitzewellen, die die Stadt in ein flirrendes Glutmeer verwandeln. Auf den Boulevards klebt der Asphalt, in den Parks suchen Menschen in spärlichem Schatten nach Atempausen – und doch gibt es einen Ort, an dem sich die Temperatur seit Jahrhunderten kaum verändert hat. Vierzehn Grad. Konstant. Kühl. Tief unter den Straßen: die Katakomben von Paris.

Wer die Wendeltreppe unter dem Place Denfert-Rochereau hinabsteigt, wechselt nicht nur das Stockwerk, sondern gleich eine ganze Welt. Oben brennt die Sonne mit 35 Grad und mehr, unten umfängt einen eine Stille, die so dicht ist, dass selbst das Echo zögert. Es riecht nach feuchtem Stein, und an den Wänden lagern in ordentlichen Stapeln die Schädel und Knochen von Millionen einstiger Pariser – gebettet hier seit dem späten 18. Jahrhundert, als Seuchen und überfüllte Friedhöfe die Stadt zwangen, ihre Toten umzubetten.

Das mag makaber klingen. Für viele Besucher ist es das auch. Doch gerade in dieser Mischung aus historischer Wucht und physischer Erleichterung liegt der Reiz. In den Katakomben verschmelzen zwei Bedürfnisse der Gegenwart: das Verlangen nach kultureller Erfahrung und die Suche nach klimatischer Flucht. Keine Klimaanlage, kein künstlicher Wind – nur die beständige Kühle der Tiefe.

In einer Zeit, in der Museen, Kinos und Einkaufszentren als klimatisierte Zufluchtsorte dienen, setzen die Katakomben einen gänzlich anderen Akzent. Sie sind nicht nur Ort der Erholung, sondern auch Spiegel einer Stadt, die ihre Geschichte nicht verdrängt, sondern in Stein und Stille aufbewahrt. Vielleicht ist es gerade diese Unverrückbarkeit, die Besucher anzieht. Während die Welt oben schwitzt, scheint hier unten die Zeit angehalten zu sein.

Die Zahlen sprechen für sich: Die Hitzewelle hat die Besucherströme anschwellen lassen. Wer nicht im Voraus bucht, bleibt schnell mal draußen – nicht vor verschlossenen Türen, sondern vor einer Wendeltreppe, die an heißen Tagen fast so begehrt ist wie früher ein Liegestuhl an der Côte d’Azur.

Und so wirft dieser sommerliche Ansturm eine größere Frage auf: Wie lassen sich städtische Räume so gestalten, dass sie in Zeiten des Klimawandels nicht nur erträglich, sondern lebenswert bleiben? Die Katakomben sind in dieser Hinsicht ein Zufallstreffer – ein historischer Ort, der im Hier und Jetzt eine neue Funktion übernimmt.

Vielleicht liegt die Antwort nicht immer im Hightech-Klimasystem, sondern im intelligenten Gebrauch dessen, was schon vorhanden ist. Paris zeigt mit seinen Katakomben, dass unter der Oberfläche manchmal mehr Lösungen schlummern, als man ahnt. Man muss nur hinabsteigen.

Autor: C. Hatty

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