Tag & Nacht




Man stelle sich vor, ein Land wird regelmäßig von Tornados, Hitzewellen und Überschwemmungen heimgesucht – und entscheidet plötzlich, solche Katastrophen einfach nicht mehr mitzuzählen. Klingt absurd? Genau das passiert gerade in den Vereinigten Staaten.

Die NOAA, also die nationale ozeanische und atmosphärische Überwachungsbehörde, stellt ihre legendäre Katastrophen-Datenbank ein. Seit 1980 hatte sie akribisch aufgezeichnet, welche Naturkatastrophen mehr als eine Milliarde Dollar Schaden verursachten. Jetzt ist Schluss.

Eine Datenbank als Spiegel der Klimarealität

Diese Sammlung war mehr als nur eine Zahlenreihe. Sie war eine Lupe auf das, was uns der Planet über Jahrzehnte hinweg ins Stammbuch geschrieben hat. 403 Großereignisse zwischen 1980 und 2024, mehr als 2,9 Billionen Dollar Schaden – das ist keine Fußnote, das ist eine Mahnung in Ziffern gegossen.

Die Datenbank hat Wissenschaftler informiert, Medienberichte untermauert und Politikern geholfen, Entscheidungen zu treffen. Und nun? Eine Banner-Nachricht auf der NOAA-Website sagt nüchtern: Aufgrund neuer Prioritäten, gesetzlicher Veränderungen und Personalwechsel werde sie nicht mehr weitergeführt.

Was steckt dahinter?

Wer ein bisschen zwischen den Zeilen liest, erkennt schnell: Das Ganze ist kein bürokratischer Unfall, sondern eine politische Richtungsentscheidung. Donald Trump – wieder Präsident, wieder mit der alten klimapolitischen Agenda – fährt den Klimaschutz systematisch zurück. Schon der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen an Tag 1 seiner zweiten Amtszeit war ein klares Signal.

Jetzt wird’s praktisch: Wenn man die Daten nicht mehr erhebt, muss man sich auch nicht mehr mit den Konsequenzen herumschlagen. Keine Zahlen, keine Verantwortung – oder?

Zahlen verstecken statt Verantwortung tragen

Maya Golden-Krasner vom Center for Biological Diversity bringt es auf den Punkt: „Diese Regierung lässt die Menschen in Unwissenheit und damit in Unsicherheit.“ Und ja – wie soll man sich gegen eine Bedrohung wappnen, wenn man ihre Ausmaße nicht mehr erfassen will?

Die Katastrophen nehmen zu, das zeigt jede einzelne Kurve, jedes Balkendiagramm der letzten Jahrzehnte. Besonders seit den 2000ern steigen Häufigkeit und Schadenshöhe sprunghaft an. Klimaforscher sehen den Klimawandel als Hauptursache – eine Kausalität, die man kaum noch leugnen kann. Und trotzdem: Die USA kneifen.

Was bedeutet das konkret?

Ein kleines Beispiel: In Kalifornien loderten 2020 die Flammen über Monate, 4 Millionen Hektar verbrannten. Der Schaden? Über 16 Milliarden Dollar. Diese Daten halfen Stadtverwaltungen, Versicherungen und Feuerwehren bei der Vorbereitung auf ähnliche Lagen.

Und nun? Wer in Zukunft wissen will, ob sich Extremereignisse häufen, muss sich auf private Initiativen verlassen oder internationale Datenbanken nutzen – sofern die noch zugänglich bleiben. Kann das gutgehen?

Ein gefährlicher Präzedenzfall

Diese Entscheidung sendet ein fatales Signal. Wenn das mächtigste Industrieland der Welt aufhört, Klimaschäden systematisch zu erfassen, warum sollten kleinere Staaten das noch tun? In Zeiten globaler Vernetzung und grenzüberschreitender Krisen ist das ein Eigentor für alle.

Aber es geht noch tiefer. Denn ohne Daten geht auch der Druck auf große Emittenten – insbesondere aus der fossilen Energiebranche – verloren. Die Verbindung zwischen Klimaschäden und konkretem wirtschaftlichem Verhalten wird unsichtbar gemacht. Plötzlich scheint niemand mehr schuld zu sein – außer vielleicht dem „Wetter“.

Verantwortungsloses Vergessen

Hier zeigt sich ein Muster, das sich in der Trump-Administration durchzieht: Wissenschaft wird zurechtgestutzt, Fakten werden selektiv ignoriert, kritische Stimmen marginalisiert. Die Datenbank war unbequem. Weil sie nicht lügen konnte. Weil sie zeigte, was es kostet, wegzuschauen.

Der Think Tank hinter Trumps „Projekt 2025“ nennt die NOAA „alarmistisch“. Doch wer Alarm schlägt, wenn das Haus brennt, ist kein Panikmacher – sondern Feuerwehr.

Also, was tun?

Ist die Datenbank verloren? Nein – sie bleibt archiviert, das immerhin. Doch damit sie lebendig bleibt, braucht es jetzt andere: unabhängige Wissenschaft, investigative Medien, internationale Zusammenarbeit. Vielleicht auch Menschen wie dich und mich.

Denn wer sonst, wenn nicht wir, soll daran erinnern, dass eine Billion nicht nur eine Zahl ist, sondern ein Aufschrei?

Ein persönliches Wort

Ich kann nicht anders, als dabei Wut zu verspüren. Nicht die destruktive, sondern die, die einen antreibt. Die, die sagt: „Nicht mit uns!“ Denn wenn wir anfangen, Katastrophen zu verschweigen, lassen wir die Schwächsten im Regen stehen – buchstäblich. Klimagerechtigkeit beginnt mit Ehrlichkeit. Und Ehrlichkeit beginnt mit Daten.

Wer soll noch an die Zukunft glauben, wenn die Vergangenheit gelöscht wird?

Und trotzdem: Ich glaube daran, dass eine informierte Gesellschaft stärker ist. Dass Wissenschaft am Ende mehr Menschen mobilisiert als Populismus. Dass Daten wieder zurückkehren – weil Menschen sie einfordern.

Denn eines ist sicher: Der nächste Hurrikan wartet nicht darauf, ob er mitgezählt wird oder nicht.

Von Andreas M. B.

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