Tag & Nacht




Wo einst Zelte unter Kiefern standen und Familien dem Rauschen des Atlantiks lauschten, herrscht derzeit Baustopp, Aufruhr und Unverständnis. Die Rede ist von den Campingplätzen zu Füßen der Düne du Pilat – Frankreichs größter Wanderdüne – in der Gironde. Nach den verheerenden Waldbränden im Sommer 2022 standen viele dieser traditionsreichen Urlaubsorte buchstäblich in Flammen. Jetzt, wo der Wiederaufbau eigentlich Hoffnung bringen sollte, brodelt es erneut – diesmal nicht wegen Hitze, sondern wegen Beton.

Camping im Zwielicht

Am 2. Juni 2025 gab die Staatsanwaltschaft Bordeaux grünes Licht für die Wiederöffnung zweier beliebter Plätze: „Panorama“ und „Les Flots Bleus“. Die Bedingung? Sofortige Rückbauarbeiten und strikte Einhaltung der Vorgaben. Doch während sich dort wieder Camper sonnen dürfen, bleibt ein anderer Platz geschlossen: das Pyla Camping.

Und das hat Gründe.

Im März 2025 verhängte die Stadtverwaltung einen Baustopp über Pyla Camping. Der Vorwurf: illegale Bauarbeiten mit Beton – ein No-Go in einem Naturgebiet von solcher Bedeutung. Die Düne du Pilat ist als geschützter Naturraum klassifiziert, ihre Ökosysteme sensibel und teils einzigartig in Europa. Der Boden dort ist ständig in Bewegung, Flora und Fauna reagieren empfindlich auf jede Veränderung.

Wilde Bauten in der Wildnis

Doch was ist da eigentlich schiefgelaufen? Laut Berichten haben die Betreiber des Pyla Campings ohne Genehmigung massive Betonfundamente errichtet – trotz klarer Auflagen, die nur leichte und reversible Bauformen erlauben. Die Behörden griffen durch: ein sofortiger Baustopp und Ermittlungen wegen Verstößen gegen das Umwelt- und Baurecht.

Für viele Anwohner war das ein Schock. Einerseits, weil sie gehofft hatten, dass der Wiederaufbau endlich wieder Arbeitsplätze und Leben bringt. Andererseits, weil viele befürchteten, dass die charakteristische Dünenlandschaft in ein weiteres Stück Ferienindustrie umgewandelt werden könnte.

Ein Balanceakt zwischen Erholung und Erhaltung

Die Düne du Pilat ist mehr als ein Instagram-Hotspot. Sie ist ein lebender Organismus, der sich mit dem Wind verschiebt, der Lebensraum bietet und der nicht einfach zugebaut werden darf. Wer dort etwas errichtet, muss das mit größter Rücksicht tun.

Die aktuelle Debatte wirft deshalb eine alte, aber stets brennende Frage neu auf: Wie viel Tourismus verträgt die Natur?

Der Wunsch nach naturnahem Urlaub ist groß – keine Frage. Doch gerade dieser Wunsch droht zur Gefahr zu werden, wenn die Infrastruktur dafür nicht behutsam und gesetzeskonform entsteht. Wenn statt Holzhütten plötzlich Betonburgen im Dünensand stehen, dann läuft etwas gewaltig schief.

Ein Weckruf für Politik und Betreiber

Es braucht klare Regeln – und noch klarere Kontrollen. Die Behörden zeigen nun, dass sie bereit sind, auch durchzugreifen. Das ist richtig so. Denn wenn Schlupflöcher genutzt oder Genehmigungen ignoriert werden, leidet nicht nur die Natur, sondern auch das Vertrauen der Öffentlichkeit.

Die Campingplatzbetreiber wiederum sind in der Pflicht, Transparenz zu zeigen. Wer nachhaltig wirtschaften will, muss mit der Landschaft arbeiten, nicht gegen sie. Die Auswahl der Materialien – Holz, Segeltuch, mobile Bauformen – kann dabei den Unterschied machen.

Ein Stück französisches Erbe bewahren

Die Düne du Pilat ist ein Schatz. Wer einmal oben gestanden und auf den Ozean geblickt hat, weiß das. Sie braucht keine monströsen Anlagen, keine Schnellschüsse – sie braucht Respekt.

Vielleicht war der Skandal um Pyla Camping genau das, was es gebraucht hat, um eine breitere Debatte anzustoßen. Über die Zukunft des naturnahen Tourismus. Über die Rolle der Gemeinden. Und darüber, ob wir wirklich lernen, mit der Natur zu leben – oder sie doch immer wieder übergehen.

Denn eines ist sicher: Eine Düne vergisst nicht. Und sie verzeiht auch nicht alles.

Von Andreas M. Brucker

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!