Noch vor wenigen Jahren sah es düster aus für den Merlu – besser bekannt als Seehecht – an der französischen Atlantikküste. Überfischt, fast verschwunden, und mit ihm eine ganze Branche am Abgrund. Heute aber atmen Fischer, Biologen und Umweltschützer auf: Die Bestände des Merlus im Nordostatlantik haben sich dank strenger Maßnahmen deutlich erholt. Doch wie stabil ist dieses ökologische Comeback wirklich?
Strikte Regeln – ein europäischer Kraftakt
2001 war der Tiefpunkt erreicht. Der Merlu war vielerorts kaum noch zu fangen, seine Laichbestände gefährlich geschrumpft. Daraufhin startete die Europäische Union ein ambitioniertes Rettungsprogramm: Fangquoten wurden drastisch gesenkt, die Maschenweite der Netze erhöht, um Jungfische zu schonen. Schutzgebiete, in denen gar nicht gefischt werden durfte, kamen hinzu. Alles mit einem Ziel: die natürliche Regeneration der Seehecht-Bestände.
Und siehe da – es wirkte. In den letzten Jahren hat sich der Bestand im Atlantik stabilisiert. 2024 konnte man die Fangquoten sogar leicht anpassen – kein Rückfall in alte Muster, sondern Zeichen einer nachhaltigen Verwaltung.
Mittelmeer: Keine Erfolgsgeschichte
Während sich der Seehecht im Atlantik erholt, sieht die Lage im Mittelmeer weitaus düsterer aus. Dort kam das Umdenken später – zu spät? Der Merlu dort kämpft noch immer ums Überleben. Seine Laichbiomasse bleibt zu niedrig, um sich aus eigener Kraft zu erholen.
Maßnahmen gibt es auch hier: strengere Fangregeln, kleinere Fangzeiten, Schutzgebiete. Aber sie greifen zögerlicher – und oft fehlt der politische Wille zur konsequenten Umsetzung. Die Küstengemeinden sind häufig wirtschaftlich abhängig von der Fischerei und wehren sich gegen einschneidende Reformen. Ein Teufelskreis.
Ohne die Fischer läuft gar nichts
Was oft übersehen wird: Die Regulierungen allein haben den Merlu nicht gerettet. Ohne die Mitwirkung der Fischer wären all diese Pläne gescheitert. Viele von ihnen haben ihre Fangmethoden angepasst, setzen gezielter ihre Netze ein und meiden Laichgebiete zur richtigen Zeit.
Hilfsprogramme, Schulungen und sogar finanzielle Unterstützung haben diesen Wandel begleitet. Und natürlich spielte auch der zunehmende Druck der Verbraucher eine Rolle – Nachhaltigkeit ist kein Randthema mehr, sondern Verkaufsargument.
Ein erfahrener Fischer aus der Bretagne brachte es auf den Punkt: „Früher haben wir genommen, was da war. Heute achten wir darauf, dass auch morgen noch was da ist.“
Kann das Modell Schule machen?
Die Erfolgsgeschichte des Merlus an der Atlantikküste wirft eine spannende Frage auf: Taugt dieses Modell als Vorlage für andere bedrohte Fischarten?
Die Antwort: Jein.
Denn jede Fischart ist anders. Lebensräume, Laichverhalten, Wanderbewegungen – das alles verlangt nach maßgeschneiderten Schutzkonzepten. Aber das Grundprinzip, nämlich klare Regeln, gemeinschaftliches Handeln und wissenschaftlich fundierte Entscheidungen, bleibt universell gültig.
Was für den Merlu funktioniert hat, könnte bei Thunfisch, Kabeljau oder Garnelen ebenfalls funktionieren – wenn man es richtig angeht.
Keine Entwarnung – aber berechtigte Hoffnung
Der Merlu ist noch nicht über den Berg, aber er steht nicht mehr am Abgrund. Seine Rückkehr zeigt, was möglich ist, wenn Politik, Wissenschaft und Praxis an einem Strang ziehen.
Doch wer glaubt, das Thema sei damit erledigt, irrt. Fischerei bleibt ein Balanceakt. Und der Druck auf die Meere wächst weiter – Klimawandel, Umweltverschmutzung, illegale Fischerei. Man muss wachsam bleiben, um diesen hart erkämpften Erfolg nicht wieder zu verspielen.
Denn niemand will wieder dort landen, wo alles angefangen hat – mit leeren Netzen und traurigen Gesichtern am Hafen.
Von Andreas M. Brucker
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