Tag & Nacht

Zum 150. Jubiläum der Republik öffnet das Schloss Versailles seine sonst verborgenen Räume – eine einmalige Gelegenheit für Besucher, in ein unbekanntes Kapitel der Geschichte einzutauchen.

Ein geschichtsträchtiger Ort wird zugänglich

Seit dem 15. Februar haben Besucher jeden Samstag und Sonntag die Möglichkeit, zwei normalerweise nicht zugängliche Orte zu erkunden: die beeindruckende Salle du Congrès und das prächtige Appartement des Präsidenten des Kongresses. Diese Bereiche, die sich in der südlichen Schlossflügel befinden, spielten eine zentrale Rolle in der Geschichte der französischen Republik – und doch waren sie für die Öffentlichkeit bislang weitgehend unsichtbar.

Die Salle du Congrès wurde 1875 errichtet und ist architektonisch ein wahres Meisterwerk. „Architekt Edmond de Joly hat es geschafft, diesen riesigen Saal in einem Innenhof zu verstecken – von außen ist nichts zu erkennen“, erklärt Frédéric Lacaille, Chefkonservator des Schlosses. Der Saal erstreckt sich über 700 Quadratmeter, mit einem halbkreisförmigen Bereich für Abgeordnete und Senatoren sowie zwei Balkonen für Presse und Öffentlichkeit. Besonders in Zeiten der Präsidentschaftswahlen war dieser Ort ein politisches Zentrum, denn bis zur Einführung der Direktwahl des Staatsoberhaupts im Jahr 1962 wurden hier 14 französische Präsidenten gewählt.

Ein Hauch von Monarchie inmitten der Republik

Wer erwartet, dass die Salle du Congrès ein republikanisch geprägter Raum ist, wird überrascht sein. Die Gestaltung erinnert vielmehr an die Pracht des Sonnenkönigs. „Die obere Dekoration ist stark von Ludwig XIV. inspiriert“, betont Lacaille. „Die Architektur setzt die Vision des Königs fort, mit einer majestätischen Kolonnade und prunkvollen Details.“ In den Ecken des ersten Balkons strahlt das Sonnenmotiv von Ludwig XIV., als wolle es daran erinnern, dass Versailles – trotz seiner republikanischen Nutzung – noch immer sein Schloss ist.

Ein geheimes Appartement mit königlichem Flair

Neben der Salle du Congrès öffnet Versailles nun auch das Appartement des Präsidenten des Kongresses für Besucher. Es befindet sich an jener Stelle, an der einst der Comte de Provence, der Bruder Ludwigs XVI., residierte. Die vier Empfangssalons blicken auf die Orangerie und das Wasserbecken der Schweizer. „Dieses Appartement war nicht nur Wohn- und Arbeitsraum, sondern diente auch repräsentativen Zwecken“, erklärt Lacaille. Der Stil? Ein klassisches Neo-Louis-XV-Dekor mit reich verzierten, vergoldeten Stuckelementen.

Doch das Appartement ist nicht nur ein Museum – es wird bis heute genutzt. Vorrangig gehört es der Präsidentin der Nationalversammlung, doch auch der Senatspräsident und gelegentlich sogar der Staatspräsident selbst greifen darauf zurück, wenn sie vor beiden Kammern sprechen.

Versailles will mehr verborgene Räume zugänglich machen

Für Christophe Leribault, den Präsidenten des Schlosses Versailles, ist diese Öffnung nur der Anfang. „Das Schloss steckt voller verborgener Schätze, und es ist unser Ziel, diese nach und nach zugänglich zu machen“, sagt er. Er spricht von „Zehntausenden Quadratmetern an Galerien und Kunstwerken, die viele nur aus Reproduktionen kennen“. Die kommenden Jahre sollen dazu genutzt werden, mehr von diesem „geheimen Versailles“ mit der Welt zu teilen.

Und wann kann man diesen besonderen Ort besuchen? Die Salle du Congrès und das Präsidentenappartement sind bis Ende September geöffnet – am Wochenende frei zugänglich, unter der Woche nur mit Führung.

Eine seltene Gelegenheit, das Schloss aus einer völlig neuen Perspektive zu erleben. Denn seien wir ehrlich: Wer hätte gedacht, dass die französische Republik sich mitten im Palast des Sonnenkönigs so bequem eingerichtet hat?

Catherine H.

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