Tag & Nacht




Ein knarzendes Etagenbett, Neonlicht und Gemeinschaftsduschen mit Seifenresten – das war einst das Bild der klassischen Jugendherberge. Doch dieses Klischee gehört der Vergangenheit an. Frankreichs Auberges de jeunesse feiern ihr Comeback – und wie! Mit schickem Design, gemütlichen Gemeinschaftsräumen und einem vielfältigen Publikum setzen sie ein kräftiges Lebenszeichen in der Tourismuslandschaft.

Vom Abstellgleis zurück ins Rampenlicht

Zwischen 1980 und 2010 fristeten die meisten Jugendherbergen ein eher tristes Dasein. Veraltet, schlecht ausgestattet, nicht konkurrenzfähig – viele verschwanden aus dem Stadtbild. Doch seit einigen Jahren schlägt das Pendel in die andere Richtung aus. Besonders deutlich wird das in der Region Auvergne-Rhône-Alpes: 69 Herbergen zählt man dort inzwischen – ein Zuwachs von 64 % seit 2019. Auch die Zahl der Betten wuchs um satte 30 %. Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines grundsätzlichen Wandels.

Denn der Reiz der neuen Hostels liegt längst nicht mehr nur im günstigen Preis.

Design trifft Gemeinschaftsgefühl

Was früher spartanisch war, ist heute stylisch. Statt muffiger Schlafsäle bieten viele Jugendherbergen heute hippe Dorms, durchgestylte Privatzimmer und großzügige Gemeinschaftsbereiche, in denen sich internationale Gäste bei einem Cappuccino austauschen oder gemeinsam Kochabende veranstalten.

In Städten wie Paris, Lyon oder Bordeaux stehen Namen wie Generator oder The People Hostel für ein völlig neues Herbergsverständnis: urban, durchdacht, digital vernetzt. WLAN ist selbstverständlich, viele Häuser setzen auf nachhaltige Materialien, moderne Architektur – und das gewisse Etwas im Service.

Ein bisschen wie Boutique-Hotel, ein bisschen wie WG auf Zeit.

Wer schläft da eigentlich?

Der Begriff „Jugendherberge“ ist inzwischen fast irreführend. Zwar sind junge Reisende nach wie vor eine wichtige Zielgruppe – aber längst nicht mehr die einzigen. Auch Familien, Alleinreisende über 50, digitale Nomaden oder sportlich aktive Gruppen entdecken die Vorzüge der neuen Hostelkultur: zentrale Lage, persönliche Atmosphäre, flexible Angebote – und das alles zu einem Bruchteil des Hotelpreises.

Der Wunsch nach bezahlbarem, unkompliziertem Reisen hat sich durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten noch verstärkt. Gleichzeitig wollen viele Gäste mehr als nur ein Bett: Sie suchen Austausch, Atmosphäre, Abenteuer. Genau da setzen die neuen Herbergen an.

Vom Nischenprodukt zum Wachstumsmarkt

Global betrachtet ist der Boom keine Eintagsfliege. Bis 2033 rechnet man mit einer jährlichen Wachstumsrate von knapp 10 % im Hostel-Markt. Das entspricht einem geschätzten Gesamtumsatz von über 24 Milliarden Dollar. In Frankreich fügt sich dieser Trend in die breitere Bewegung ein, das touristische Angebot zu diversifizieren – und dabei auf Individualität, Technologie und Gemeinschaft zu setzen.

Das klassische Hotel wirkt dagegen manchmal fast steril. Hostels sind flexibler, mutiger – und näher dran am Menschen.

Urbaner Rückzugsort oder sozialer Hotspot?

Eine Frage drängt sich auf: Was macht eigentlich den wahren Reiz dieser neuen Herbergen aus? Ist es das schicke Design? Die Preise? Oder doch eher das Lebensgefühl?

Die Antwort liegt wohl irgendwo dazwischen. In einer Welt, in der sich Reisen zunehmend zwischen Individualität und Effizienz bewegt, treffen Hostels einen Nerv. Sie bieten Raum für Begegnungen ohne Verpflichtung, für Erlebnisse ohne hohen Preis. Wer einmal in einer französischen Jugendherberge in der Küche mit Leuten aus drei Kontinenten Nudeln gekocht hat, der weiß, wovon die Rede ist.

Fazit: Altbekannt und doch ganz neu

Was einst als günstige Unterkunft für Schulklassen begann, hat sich zu einem dynamischen, modernen und internationalen Übernachtungsformat gewandelt. Frankreichs Jugendherbergen zeigen eindrucksvoll, wie man mit Mut zur Veränderung, einem Gespür für die Bedürfnisse der Zeit und einer Prise Charme eine Renaissance feiern kann.

Der neue Hostel-Boom ist kein modischer Trend – sondern eine Reisebewegung mit Zukunft.

Andreas M. Brucker

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!